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Trotz aller Schwierigkeiten, denen
sich die Saisonniers ausgesetzt sahen,
hat sich für viele die Arbeit im Aus
land aber gelohnt, wie Emanuel Vogt
schreibt: «Sic brachten Geld nach
Hause, bauten sich Häuser, kauften
Duden udci vci giüssci leu den Viehbe
stand. Diese Saisomüeis waieu füi
die damalige Zeit gut gekleidet, ein
zelne trugen Halbschuhe, hatten Zi
garetten im Mund, schwangen kleine
Spazierstöcke, trugen moderne Hüte
und flanierten so durch das Dorf.»
Die für die damalige Zeit ausserge-
wöhnliche Erscheinung mancher Sai
sonniers ist Berta Bürzle-Wolfinger
noch lebhaft in Erinnerung: «Ja, wie
Herren (Härrle) sind sie dann gekom
men. Man hat sie sofort erkannt.» Josef
und Elfrieda Wolfinger-Schuler bestä
tigen dies einhellig. Elfrieda: «Und ge
sagt haben sie immer, sie hätten sehr
gut verdient gegenüber den Liechten
steinern [hier].» Josef: «Ja, das haben
sie schon. Und natürlich [teilweise]
Kost und Logis gehabt. Da hat man ge
sagt: <Wedr än us dr Schössla.>» Elfrie
da: «Ja, aber wenn sie hierher gekom
men sind, das sind dänn d Härra gse,
die haben dann einen Anzug gehabt
und einen Hut. Das weiss ich noch gut,
die sind dann besser angezogen gewe
sen, amool kä Holtscheg wia di Hia-
saga. Nein, wirklich nicht.»
Ein Saisonnier hat durch seine meist
harte Arbeit wohl kaum ein grosses
Vermögen verdient. Laut Alfons
Schädler hätten sich «viele ihre Klei
dung dem Mund abgespart. Die haben
zum Teil einfach gelebt. Johann Beck 4
hat mir erzählt, er habe natürlich
Frauen [Schlummermütter, bei denen
er einquartiert wurde] gehabt, die
hätten zu ihm geschaut wie zum eige
nen Bub. Da habe er von einem ganz
bescheidenen Tagesansatz gelebt. Die
hätten ihm alles gewaschen und alles
getan. Natürlich habe es auch andere
gegeben, die nur darauf aus waren,
das Geld zu nehmen.»
Land und Gemeinden konnten im
Winter nicht alle Rückkehrer mit Ar
beitsstellen versorgen. Deshalb muss
te bei vielen Saisonniers das verdiente
Geld oft wieder bis zum nächsten
Frühjahr reichen.
Die Saisonarbeit konnte sich aber
auch in anderer Hinsicht als lohnens
wert erweisen. So manche junge Frau
in der Schweiz, Frankreich oder sonst
wo wird wohl ihr Herz an einen der
feschen Balzner verloren haben und
natürlich auch umgekehrt. Der Sai-
sonnier Josef Gstöhl beispielsweise -
so berichten seine Nichte Berta
Bürzle-Wolfinger und sein Neffe Josef
Wolfinger - habe seine Frau Marie-
Louise in Frankreich kennen gelernt
und sie dort geheiratet. Die beiden flo
hen nach dem Einmarsch von Hitlers
Armeen 1940 nach Liechtenstein.
Ausser Geld, eventuell einer Gemah
lin und jeder Menge Geschichten für
die langen Winter brachten die
Saisonniers aber noch mehr mit; Eine
Zeit lang - und bei der älteren Genera
tion noch heute - waren französische
Ausdrücke hoch im Kurs. Berta
Bürzle-Wolfinger, deren Mutter Maria
in einem Hotel in St. Moritz als Sai
sonarbeiterin tätig war, erinnert sich,
dass ihre Mutter «solche Fremdwör
ter noch manchmal gebracht» habe,
so etwa das Wort «toujours»: «Es goot
toujours a so vorwärts.» Wenn unter
Druck und körperlich hart gearbeitet
«Ja, aber wenn sie [die Saisonniers]
hierher gekommen sind, das sind
dänn d Härra gse, die haben dann
einen Anzug gehabt und einen Hut.»
werden musste, wurde dies «tra
vailla» genannt.
Während ihrer teilweise langen Tätig
keit haben sich manche Saisonniers
eine beachtliche Eloquenz in Fremd
sprachen angeeignet. Über den be
reits erwähnten Josef Gstöhl weiss
Elfrieda Wolfinger-Schuler zu berich
ten, er habe «in Frankreich fliessend
Französisch gelernt, ohne irgendeine
Schule [besucht zu haben]. Mein Va
ter [Albrecht Schüler] hat ja gut Spra
chen gekonnt. Am Sonntag, wenn sie
einander in der Kirche getroffen ha
ben, haben sie immer nur Franzö
sisch miteinander gesprochen.»
In «Mier z Balzers» lässt Emanuel Vogt
auch Rosa Brunhart-Frick über die
Tätigkeit ihres Mannes Andreas Brun
hart als Saisonnier erzählen. Laut Alt
regierungschef Hans Brunhart, einem
der Söhne von Rosa und Andreas
Brunhart, war sein Vater «schon als
Lediger mehrere Jahre vor allem in
der Schweiz als Saisonnier im Gipser
beruf tätig, und nach der Heirat ging
er zweimal jeweils vom Frühling bis
zum Winter nach Spanien. Vorher ar
beitete er auch in Frankreich. Oft war
er mit der Gruppe um Josef Gstöhl, zu