Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2002) (2002)

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heidnische Vorzeit zurückreicht und 
nur entfernte Parallelen mit den 
Gräueln der Inquisition aufweist. 
Die Fasnacht war selbstverständlich 
gerade für Kinder genau richtig, um 
Verse aufzusagen, für die sie in dieser 
närrischen Zeit nicht gerade stehen 
mussten. Dementsprechend grob wa 
ren deshalb auch die Zurufe, die den 
prügelnden Maskierten galten; 
Fasnätbutze, tumma Hund, 
wääscht jo ned, wänn d Fasnät kunnt! 
D Fasnät kunnt im Fäbruar, 
und du bischt än tumma Narr. 
Fiel die Fasnachtszeit in den Monat 
März, wurde der Text dem Monat ent 
sprechend abgewandelt: 
... D Fasnät kunnt im Miarza, 
und du bischt a (tumme) Kiarza! 
Aprilkalb und Maikäfer 
Woher die Sitte stammt, am 1. April 
seine Mitmenschen zum Besten zu 
halten, indem man sie «in den April 
schickt», ist unklar. Gerade Kinder 
und Jugendliche haben sich aber seit 
jeher einen Spass daraus gemacht, 
wenigstens einmal im Jahr ungestraft 
Leute zu veralbern - mit Vorliebe er 
wachsene Respektspersonen. Wer den 
Schaden hat, braucht bekanntlich für 
den Spott nicht zu sorgen; denn dieser 
wurde mit folgendem Spruch gleich 
nachgereicht; 
Brellakalb, Schottakalb 
scheckt än aalta Narr i d Alp! 
Das Maikäferlied ist wohl das am wei 
testen verbreitete Kinderlied über 
haupt und weist im ganzen deutsch 
sprachigen Raum einen identischen 
Text auf, d.h. es existiert meines Wis 
sens keine Dialektfassung. Die Worte 
stammen angeblich aus der Zeit des 
Dreissigjährigen Krieges (1618-1648): 
Maikäfer, flieg! 
Der Vater ist im Krieg. 
Die Mutter ist in Pommerland. 
Pommerland ist abgebrannt. 
Maikäfer flieg! 
Herbst und Winter 
Früher war es üblich, dass sich vor al 
lem die Buben während der Herbstfe 
rien als «Pfööler» (Viehhüter) bei ei 
nem Bauern verdingten. Weil die we 
nigsten der Burschen eine eigene Uhr 
hatten, rief man einander gegen 
Abend die Uhrzeit zu, damit man mit 
dem «Häämfaara» - so nannte man 
den abendlichen Viehtrieb Richtung 
heimatlichen Stall - nicht zu spät 
dran war. 
Nicht immer aber erhielt man die ge 
naue Zeit zugerufen. Auf die Frage ei 
nes «Pföölers», wie spät es denn sei, 
lautete der wohl beliebteste, weil auch 
unanständigste Spruch: 
Viertel öbara Zuustägga 
Wänn ds ned globscht 
kascht mr äm A... lägga! 
Der Jahreskreis beginnt sich zu 
schliessen. Der Winter naht, und mit 
ihm fallen die ersten weissen Flocken. 
Ein Wintergedicht, das oft und gern 
bei beginnendem Schneefall aufge 
sagt wurde, ist das folgende: 
Ä5 schnäielet, äs bäielet, 
äs goot än küala Wind. 
D Määtla legend d Häntscheg a 
und d Buaba laufend gschwind. 
Es lässt sich wohl nicht mehr klären, 
ob das unterschiedliche Rollenver 
halten von Mädchen und Buben in 
diesem Gedicht auch zum Hänseln 
verwendet worden ist. Doch kann ich 
mir nicht vorstellen, dass Buben (oder 
Mädchen) je eine Gelegenheit ausge 
lassen haben, das andere Geschlecht 
aufzuziehen. 
Wenn sich dann aber der 6. Dezember 
und somit der Besuch von St. Niko 
laus mit seinem Gehilfen, dem 
«Krampus», ankündigte, hätte wohl 
manch einer (oder eine?) gewünscht, 
im verflossenen Jahr mit dem Necken 
und Streiten etwas zurückhaltender 
gewesen zu sein. Und den Spottvers 
auf den Nikolaus liess man mit Si 
cherheit erst vernehmen, nachdem 
sein Glöcklein längst in der Nacht ver 
klungen war: 
Nigge, Nägge! 
Hosaggägge! 
Hinderem Ofa stägge! 
Schliesslich kam Weihnachten - die 
Zeit der Wünsche. Wenn diese zu 
gross und für die Eltern unerschwing 
lich wurden, setzte man dem kindli 
chen Drängen einen Dämpfer auf. 
Wurde von neugierigen Verwandten 
gefragt, was das Kleine denn «vom 
Chreschtkindle» erhalten würde, ant 
wortete die Mutter, um dem Kind mit 
seinen zu hohen Ansprüchen zuvor 
zukommen: 
A Nianawägele med 
ama Nüütele druuf. 
Und wenn das Kind doch noch zu 
Wort kam und sich «viel» wünschte, 
kam ebenso prompt die Antwort: 
Viil füart ma uf da Wäga. 
Diese letzten Beispiele gehören aber 
bereits in die Rubrik «Sprüche und 
Redensarten zur Erziehung», und 
über dieses Thema liesse sich ein eige 
nes Kapitel schreiben.
	        

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