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Die Balzner Fledermäuse
Silvio Hoch
Fledermäuse sind in! Innerhalb von
zwei Jahrzehnten haben Arbeitsgrup
pen, die sich den Schutz der Fleder
mäuse zum Ziel gesetzt haben, durch
ihre Öffentlichkeitsarbeit erreicht,
dass sich Fledermäuse in den Augen
der Allgemeinheit vom gefährlichen
Blutsauger zum Kuscheltier gewan
delt haben.
Wenn ich mit einem Pflegling auf
Schulbesuch unterwegs bin und et
was Abwechslung in den Biologieun-
terricht bringe, so spiegelt sich in der
Faszination der Kinder dieser gewan
delte Ruf einer bislang geächteten
Tiergruppe wider. In diesem Sinne
soll auch der folgende Überblick über
die bis heute in Balzers nachgewiese
nen Fledermausarten zum besseren
Verständnis und zu einem umfassen
deren Schutz dieser stark bedrohten
Säugetiergruppe beitragen.
Grosse Hufeisennase
(Rhinolophus ferrumequinum)
Diese zu unseren grössten einheimi
schen Arten zählende Fledermaus
stellt aus fledermauskundlicher Sicht
zweifellos die grösste Rarität der
Balzner Fledermausfauna dar. Als be
sonders wärmeliebende Art war sie in
Mitteleuropa nie häufig. Durch den
massiven Insektizideinsatz erfolgte
seit 1950 aber ein dramatischer
Bestandeseinbruch, so dass die Art
aus Deutschland praktisch ver
schwunden ist und die Balzner Mini
kolonie sich mittlerweile am Nord
rand der mitteleuropäischen Verbrei
tungsgrenze befindet. Lediglich drei
Fortpflanzungskolonien sind aus der
Schweiz bekannt - eine Restpopula
tion von rund einem halben Dutzend
Weibchen aus dem Kanton Aargau,
eine aus dem Kanton Wallis und eine,
mit 140 Weibchen die weitaus grösste,
aus dem bündnerischen Castrisch.
Während die Balzner Kolonie noch zu
Beginn der 1980er Jahre sieben bis
acht erwachsene Tiere zählte, steht sie
heute unmittelbar vor dem Ausster
ben. Maximal zwei Tiere konnten in
den vergangenen Jahren noch beob
achtet werden. Meist aber deuten nur
noch Kotwürstchen, die Schlosswart
Hubert Eberle auf den Treppen von
Schloss Gutenberg findet, auf die ge
legentliche Anwesenheit einzelner Tie
re hin. Ein Fortpflanzungsnachweis
für die Balzner Kolonie konnte letzt
mals 1993 mit Sicherheit erbracht
werden, als eine Totgeburt und ein
frisch flügges Jungtier tot aufgefun
den wurden.
Bisher bekannte Quartiere befinden
sich in einem kühlen, ungenutzten
Raum auf Schloss Gutenberg und im
warmen Estrich der Mariahilf-Kapelle
in Mäls. In Abhängigkeit der jeweili
gen mikroklimatischen Bedürfnisse
wechseln die Tiere regelmässig zwi
schen diesen beiden Quartieren hin
und her. Sporadisch wurden im
Schloss Gutenberg auch andere Räu
me von den Fledermäusen genutzt,
die ihnen aber seit der Renovation
verschlossen sind.
Hufeisennasen benötigen einen freien
Einflug in ihr Quartier. Im Gegensatz
zu anderen Arten werden Quartiere,
die nur kletternd oder kriechend er
reicht werden können, nicht ange
nommen. Die Hufeisennase braucht
als Lebensraum und Jagdgebiet eine
mosaikartig zusammengesetzte Land
schaft mit vielfältigen Saumbiotopen,
die sie zu verschiedenen Jahreszeiten
nutzt. Bevorzugte Beutetiere sind
Grossinsekten wie Nachtfalter und
Vertreter der Familie der Scara-
baeidae (Blatthornkäfer), zum Bei
spiel Dung-, Mai- und Mistkäfer. Ent
sprechend dem Nahrungsangebot
wendet die Hufeisennase zwei ver
schiedene Jagdstrategien an: einmal
den langsamen Suchflug mit an
schliessender rasanter Verfolgungs
jagd und zum anderen die Ansitzjagd,
bei der sie sich an einen exponierten
Ast hängt und, um die Längsachse ro
tierend, die Umgebung mit ihren
Ultraschall rufen nach vorbeifliegender
Beute absucht. Dabei dienen ihr das
namengebende Hufeisen, ein halb
runder Hautwulst rund um die Nasen
öffnung, und ein eigenartig geformter
Nasenaufsatz, die Lanzette, zur Bün
delung der Schallwellen, die im Fre
quenzbereich von 80 kHz liegen.
Über die Gründe für den unaufhalt
sam fortschreitenden Arealverlust der
Grossen Hufeisennase kann nur spe
kuliert werden. Auslösender Faktor
war vor einem halben Jahrhundert
zweifellos der einsetzende unkontrol
lierte Einsatz von Insektiziden in der
Landwirtschaft. Dass aber auch der
Verlust von geeigneten Quartieren
Lind die Ausräumung und Verarmung
der Landschaft eine Rolle gespielt ha
ben und auch weiterhin spielen, muss
Weltweit 950 Arten
Mit 950 Arten sind die Fledertiere
nach den Nagern die zweitgrösste
Säugerordnung, was auf ein erfolg
reiches Produkt der Evolution
schliessen lässt. Rund 800 Arten
zählt die Unterordnung der Fleder
mäuse, die Flughunde zählen deren
150. Nur 30 Fledermausarten leben
auf dem europäischen Festland,
wovon bis heute 26 Arten in der
Schweiz und 18 in Liechtenstein
nachgewiesen werden konnten. So
mit wird deutlich, dass das Haupt
verbreitungsgebiet dieser Säuger
gruppe in den Tropen liegt.