Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2002) (2002)

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Die Balzner Fledermäuse 
Silvio Hoch 
Fledermäuse sind in! Innerhalb von 
zwei Jahrzehnten haben Arbeitsgrup 
pen, die sich den Schutz der Fleder 
mäuse zum Ziel gesetzt haben, durch 
ihre Öffentlichkeitsarbeit erreicht, 
dass sich Fledermäuse in den Augen 
der Allgemeinheit vom gefährlichen 
Blutsauger zum Kuscheltier gewan 
delt haben. 
Wenn ich mit einem Pflegling auf 
Schulbesuch unterwegs bin und et 
was Abwechslung in den Biologieun- 
terricht bringe, so spiegelt sich in der 
Faszination der Kinder dieser gewan 
delte Ruf einer bislang geächteten 
Tiergruppe wider. In diesem Sinne 
soll auch der folgende Überblick über 
die bis heute in Balzers nachgewiese 
nen Fledermausarten zum besseren 
Verständnis und zu einem umfassen 
deren Schutz dieser stark bedrohten 
Säugetiergruppe beitragen. 
Grosse Hufeisennase 
(Rhinolophus ferrumequinum) 
Diese zu unseren grössten einheimi 
schen Arten zählende Fledermaus 
stellt aus fledermauskundlicher Sicht 
zweifellos die grösste Rarität der 
Balzner Fledermausfauna dar. Als be 
sonders wärmeliebende Art war sie in 
Mitteleuropa nie häufig. Durch den 
massiven Insektizideinsatz erfolgte 
seit 1950 aber ein dramatischer 
Bestandeseinbruch, so dass die Art 
aus Deutschland praktisch ver 
schwunden ist und die Balzner Mini 
kolonie sich mittlerweile am Nord 
rand der mitteleuropäischen Verbrei 
tungsgrenze befindet. Lediglich drei 
Fortpflanzungskolonien sind aus der 
Schweiz bekannt - eine Restpopula 
tion von rund einem halben Dutzend 
Weibchen aus dem Kanton Aargau, 
eine aus dem Kanton Wallis und eine, 
mit 140 Weibchen die weitaus grösste, 
aus dem bündnerischen Castrisch. 
Während die Balzner Kolonie noch zu 
Beginn der 1980er Jahre sieben bis 
acht erwachsene Tiere zählte, steht sie 
heute unmittelbar vor dem Ausster 
ben. Maximal zwei Tiere konnten in 
den vergangenen Jahren noch beob 
achtet werden. Meist aber deuten nur 
noch Kotwürstchen, die Schlosswart 
Hubert Eberle auf den Treppen von 
Schloss Gutenberg findet, auf die ge 
legentliche Anwesenheit einzelner Tie 
re hin. Ein Fortpflanzungsnachweis 
für die Balzner Kolonie konnte letzt 
mals 1993 mit Sicherheit erbracht 
werden, als eine Totgeburt und ein 
frisch flügges Jungtier tot aufgefun 
den wurden. 
Bisher bekannte Quartiere befinden 
sich in einem kühlen, ungenutzten 
Raum auf Schloss Gutenberg und im 
warmen Estrich der Mariahilf-Kapelle 
in Mäls. In Abhängigkeit der jeweili 
gen mikroklimatischen Bedürfnisse 
wechseln die Tiere regelmässig zwi 
schen diesen beiden Quartieren hin 
und her. Sporadisch wurden im 
Schloss Gutenberg auch andere Räu 
me von den Fledermäusen genutzt, 
die ihnen aber seit der Renovation 
verschlossen sind. 
Hufeisennasen benötigen einen freien 
Einflug in ihr Quartier. Im Gegensatz 
zu anderen Arten werden Quartiere, 
die nur kletternd oder kriechend er 
reicht werden können, nicht ange 
nommen. Die Hufeisennase braucht 
als Lebensraum und Jagdgebiet eine 
mosaikartig zusammengesetzte Land 
schaft mit vielfältigen Saumbiotopen, 
die sie zu verschiedenen Jahreszeiten 
nutzt. Bevorzugte Beutetiere sind 
Grossinsekten wie Nachtfalter und 
Vertreter der Familie der Scara- 
baeidae (Blatthornkäfer), zum Bei 
spiel Dung-, Mai- und Mistkäfer. Ent 
sprechend dem Nahrungsangebot 
wendet die Hufeisennase zwei ver 
schiedene Jagdstrategien an: einmal 
den langsamen Suchflug mit an 
schliessender rasanter Verfolgungs 
jagd und zum anderen die Ansitzjagd, 
bei der sie sich an einen exponierten 
Ast hängt und, um die Längsachse ro 
tierend, die Umgebung mit ihren 
Ultraschall rufen nach vorbeifliegender 
Beute absucht. Dabei dienen ihr das 
namengebende Hufeisen, ein halb 
runder Hautwulst rund um die Nasen 
öffnung, und ein eigenartig geformter 
Nasenaufsatz, die Lanzette, zur Bün 
delung der Schallwellen, die im Fre 
quenzbereich von 80 kHz liegen. 
Über die Gründe für den unaufhalt 
sam fortschreitenden Arealverlust der 
Grossen Hufeisennase kann nur spe 
kuliert werden. Auslösender Faktor 
war vor einem halben Jahrhundert 
zweifellos der einsetzende unkontrol 
lierte Einsatz von Insektiziden in der 
Landwirtschaft. Dass aber auch der 
Verlust von geeigneten Quartieren 
Lind die Ausräumung und Verarmung 
der Landschaft eine Rolle gespielt ha 
ben und auch weiterhin spielen, muss 
Weltweit 950 Arten 
Mit 950 Arten sind die Fledertiere 
nach den Nagern die zweitgrösste 
Säugerordnung, was auf ein erfolg 
reiches Produkt der Evolution 
schliessen lässt. Rund 800 Arten 
zählt die Unterordnung der Fleder 
mäuse, die Flughunde zählen deren 
150. Nur 30 Fledermausarten leben 
auf dem europäischen Festland, 
wovon bis heute 26 Arten in der 
Schweiz und 18 in Liechtenstein 
nachgewiesen werden konnten. So 
mit wird deutlich, dass das Haupt 
verbreitungsgebiet dieser Säuger 
gruppe in den Tropen liegt.
	        

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