Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2001) (2001)

51 
terhand getragen, führt uns der ge 
räuschlose Lift zum Ausgang im Erd 
geschoss, von wo wir den schön ge 
stalteten Quartierplatz betreten, der 
mit bizarren, aber geschmackvoll be 
malten Steinfiguren an vergangene 
Höhepunkte des Balzner Kulturle 
bens erinnert: 
Dort zum Beispiel steht der langmäh- 
nige «Berger» und bittet um Verge 
bung seiner psychedelischen Sünden, 
dort prahlt «Joseph» mit seinem 
«Amazing Technicolor Dreamcoat», 
dort maunzt der rollige «Macavity», 
der Kater, und dort führt uns das 
«Hans-Nigg-Wegli» bereits ins nächs 
te Quartier, wo uns einstige Helden 
des FC Balzers als meterhohe, dem 
Föhn trotzende Fussball-Giganten 
aus Holz und Granit grüssen, und 
durchs «Mario-Frick-Tor» geht es wei 
ter, dem pittoresken Gemeindekanal 
entlang, der im selbstbewusst ge 
schwungenen Bogen St. Katrinabrun- 
na und das «Mane-Seeli» südlich der 
Burg verbindet. Über die «Dr.-Andrea- 
Willi-Brücke» gelangen wir schliesslich 
mitten hinein ins Bankomatenzent 
rum. Dort steht nicht nur der Auto 
mat der Bank von Ernst, sondern 
auch derjenige von Kuno, von Jochen, 
von Othmar, von Wolfgang und natür 
lich der vom Hans-Adam. Von hier 
bringt uns jetzt die prachtvolle «Hans- 
Brunhart-Allee», die uns an Statuen 
berühmter Balzner Bürger vorbei 
führt, wie zum Beispiel des «Trümme- 
lehans» und des Dr. Herbert Wille, di 
rekt zum Grenzposten. Dies mag Sie 
nun erstaunen: ein Grenzposten? Mit 
ten in Balzers? 
Nun. Das Rätsel ist schnell geklärt: 
Mäls, das sich aufgrund des fürstlich 
eingeführten Selbstbestimmungsrech 
tes schon früh entschlossen hatte, in 
den italienischen Regionenverband 
aufgenommen zu werden und seither 
mitten in Balzers eine Enklave bildet, 
möchte nur mit gültigen Ausweispa 
pieren durchquert werden. Schliess 
lich ist man nun wer! Das bedeutet 
aber für die Balzner Werktätigen, die 
vom Riet-Quartier auf dem schnells 
ten Wege zu ihrer Arbeitsstelle am 
Hafen in der Rheinau gelangen wol 
len: Papiere nicht vergessen! Da ken 
nen die Mälsner «Doganieri» kein Par 
don. Der Balzner Hafen steht im übri 
gen unter panamanesischer Flagge. 
Was aber gibt es sonst noch zu berich 
ten? 
Schloss Gutenberg, das auch im 
nächsten Jahrhundert mit hoch auf 
gerichteten Zinnen aufmerksam über 
die Geschicke der Gemeinde wachen 
wird, wird sich mit neuem Leben ge 
füllt präsentieren und dies im 
wahrsten Sinne des Wortes. Nach 
langwierigen Bauarbeiten wird es 
schliesslich gelungen sein, einen 
prächtigen Eisplatz ins Innere der 
Burg einzubauen, der seither von der 
Dorfjugend rege benutzt werden wird. 
Und die Spiele des HC Balzers werden 
sich über die Jahre zu einem richtigen 
Publikumsmagneten entwickelt ha 
ben, die sogar die Erfolge des FC 
Balzers auf internationalem Parkett 
in den Schatten stellen werden. Im 
Jahre 2050 wird man bereits laut dar 
über nachdenken, das «Gutenberg- 
Stadion», wie es heissen wird, weiter 
auszubauen beziehungsweise über 
das Dach der bis auf die Hügelspitze 
hochgewachsenen Gemeindeverwal 
tung zu ziehen. Die Gemeindeverwal 
tung, die sich neben dem Hafenbe 
trieb in der Rheinau und dem Rol 
li chlbezirk im Norden zum grössten 
Arbeitgeber entwickelt haben wird, 
wird im Jahre 2050 bis in die Hallen 
der Balzers AG vorgedrungen sein 
und die dort ehemals ansässige Indust 
rie über den Rhein nach Amerika ver 
drängt haben. Bis auf genannte Etab 
lissements an der Grenze zu Friesen 
wird also das Handwerk von der Ver 
waltung ersetzt werden, nicht zuletzt 
deshalb, weil das Verwalten offen 
sichtlich einem Grundbedürfnis von 
Herrn und Frau Balzers entspricht. 
Nicht zuletzt werden im Jahre 2050 
die Regierungschefs der letzten 75 Jah 
re allesamt aus Balzers gestammt ha 
ben werden. Von denen im übrigen 
keiner Handwerker war! 
Was letztlich die Freizeitgestaltung 
der Balzner und Balznerinnen betref 
fen wird, so bleibt zu bemerken, dass 
sie auch in fünfzig Jahren noch über 
ein sonniges Gemüt verfügen werden 
und im ganzen Lande als ein munte 
res, fröhliches Völkchen gelten, das 
keine Gelegenheit zum Fest und zum 
Tanz auslässt. Zu einem besonders 
beliebten sozialen Anlass mit eigentli 
chem Volksfestcharakter werden sich 
über die Jahre die «Öffentlichen Ge 
meinderatssitzungen» entwickelt ha 
ben, wo bei Wurst und Bier in einem 
eigens dafür errichteten Festzelt mit 
Grossleinwänden das Geschehen 
rund um die Gemeinde live mitver 
folgt werden kann. Ein entsprechen 
des Showprogramm schliesst jeweils 
die ernsthaften Traktanden der Veran 
staltung ab und leitet in die geselligen 
Varia über. 
Meine Damen und Herren, ich hoffe, 
diese Visionen bereiten Ihnen nun 
keine unnötigen Ängste und wecken 
nicht den Millennium-Bug in Ihnen. 
Das Leben, dessen können Sie sich si 
cher sein, wird seinen Gang nehmen! 
Und ob Sie dereinst auf Guschgfiel le 
ben oder in der Rheinau arbeiten 
müssen, ist letztlich egal. Wichtig 
wird sein, dass der Regierungschef 
auch weiterhin aus Balzers stammen 
wird, dass das Schloss Gutenberg be 
lebt sein wird, dass es genügend 
Bankautomaten in der Gemeinde ge 
ben wird und dass der Norden nei 
disch auf Ihr Dorf blicken wird. Und 
besonders Letzteres, verehrte Anwe 
sende - das kann ich Ihnen versichern 
- werden wir auch noch in fünfzig 
Jahren. 
Ich wünsche Ihnen einen guten Auf 
enthalt im Balzers der nächsten fünf 
zig Jahre!
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.