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terhand getragen, führt uns der ge
räuschlose Lift zum Ausgang im Erd
geschoss, von wo wir den schön ge
stalteten Quartierplatz betreten, der
mit bizarren, aber geschmackvoll be
malten Steinfiguren an vergangene
Höhepunkte des Balzner Kulturle
bens erinnert:
Dort zum Beispiel steht der langmäh-
nige «Berger» und bittet um Verge
bung seiner psychedelischen Sünden,
dort prahlt «Joseph» mit seinem
«Amazing Technicolor Dreamcoat»,
dort maunzt der rollige «Macavity»,
der Kater, und dort führt uns das
«Hans-Nigg-Wegli» bereits ins nächs
te Quartier, wo uns einstige Helden
des FC Balzers als meterhohe, dem
Föhn trotzende Fussball-Giganten
aus Holz und Granit grüssen, und
durchs «Mario-Frick-Tor» geht es wei
ter, dem pittoresken Gemeindekanal
entlang, der im selbstbewusst ge
schwungenen Bogen St. Katrinabrun-
na und das «Mane-Seeli» südlich der
Burg verbindet. Über die «Dr.-Andrea-
Willi-Brücke» gelangen wir schliesslich
mitten hinein ins Bankomatenzent
rum. Dort steht nicht nur der Auto
mat der Bank von Ernst, sondern
auch derjenige von Kuno, von Jochen,
von Othmar, von Wolfgang und natür
lich der vom Hans-Adam. Von hier
bringt uns jetzt die prachtvolle «Hans-
Brunhart-Allee», die uns an Statuen
berühmter Balzner Bürger vorbei
führt, wie zum Beispiel des «Trümme-
lehans» und des Dr. Herbert Wille, di
rekt zum Grenzposten. Dies mag Sie
nun erstaunen: ein Grenzposten? Mit
ten in Balzers?
Nun. Das Rätsel ist schnell geklärt:
Mäls, das sich aufgrund des fürstlich
eingeführten Selbstbestimmungsrech
tes schon früh entschlossen hatte, in
den italienischen Regionenverband
aufgenommen zu werden und seither
mitten in Balzers eine Enklave bildet,
möchte nur mit gültigen Ausweispa
pieren durchquert werden. Schliess
lich ist man nun wer! Das bedeutet
aber für die Balzner Werktätigen, die
vom Riet-Quartier auf dem schnells
ten Wege zu ihrer Arbeitsstelle am
Hafen in der Rheinau gelangen wol
len: Papiere nicht vergessen! Da ken
nen die Mälsner «Doganieri» kein Par
don. Der Balzner Hafen steht im übri
gen unter panamanesischer Flagge.
Was aber gibt es sonst noch zu berich
ten?
Schloss Gutenberg, das auch im
nächsten Jahrhundert mit hoch auf
gerichteten Zinnen aufmerksam über
die Geschicke der Gemeinde wachen
wird, wird sich mit neuem Leben ge
füllt präsentieren und dies im
wahrsten Sinne des Wortes. Nach
langwierigen Bauarbeiten wird es
schliesslich gelungen sein, einen
prächtigen Eisplatz ins Innere der
Burg einzubauen, der seither von der
Dorfjugend rege benutzt werden wird.
Und die Spiele des HC Balzers werden
sich über die Jahre zu einem richtigen
Publikumsmagneten entwickelt ha
ben, die sogar die Erfolge des FC
Balzers auf internationalem Parkett
in den Schatten stellen werden. Im
Jahre 2050 wird man bereits laut dar
über nachdenken, das «Gutenberg-
Stadion», wie es heissen wird, weiter
auszubauen beziehungsweise über
das Dach der bis auf die Hügelspitze
hochgewachsenen Gemeindeverwal
tung zu ziehen. Die Gemeindeverwal
tung, die sich neben dem Hafenbe
trieb in der Rheinau und dem Rol
li chlbezirk im Norden zum grössten
Arbeitgeber entwickelt haben wird,
wird im Jahre 2050 bis in die Hallen
der Balzers AG vorgedrungen sein
und die dort ehemals ansässige Indust
rie über den Rhein nach Amerika ver
drängt haben. Bis auf genannte Etab
lissements an der Grenze zu Friesen
wird also das Handwerk von der Ver
waltung ersetzt werden, nicht zuletzt
deshalb, weil das Verwalten offen
sichtlich einem Grundbedürfnis von
Herrn und Frau Balzers entspricht.
Nicht zuletzt werden im Jahre 2050
die Regierungschefs der letzten 75 Jah
re allesamt aus Balzers gestammt ha
ben werden. Von denen im übrigen
keiner Handwerker war!
Was letztlich die Freizeitgestaltung
der Balzner und Balznerinnen betref
fen wird, so bleibt zu bemerken, dass
sie auch in fünfzig Jahren noch über
ein sonniges Gemüt verfügen werden
und im ganzen Lande als ein munte
res, fröhliches Völkchen gelten, das
keine Gelegenheit zum Fest und zum
Tanz auslässt. Zu einem besonders
beliebten sozialen Anlass mit eigentli
chem Volksfestcharakter werden sich
über die Jahre die «Öffentlichen Ge
meinderatssitzungen» entwickelt ha
ben, wo bei Wurst und Bier in einem
eigens dafür errichteten Festzelt mit
Grossleinwänden das Geschehen
rund um die Gemeinde live mitver
folgt werden kann. Ein entsprechen
des Showprogramm schliesst jeweils
die ernsthaften Traktanden der Veran
staltung ab und leitet in die geselligen
Varia über.
Meine Damen und Herren, ich hoffe,
diese Visionen bereiten Ihnen nun
keine unnötigen Ängste und wecken
nicht den Millennium-Bug in Ihnen.
Das Leben, dessen können Sie sich si
cher sein, wird seinen Gang nehmen!
Und ob Sie dereinst auf Guschgfiel le
ben oder in der Rheinau arbeiten
müssen, ist letztlich egal. Wichtig
wird sein, dass der Regierungschef
auch weiterhin aus Balzers stammen
wird, dass das Schloss Gutenberg be
lebt sein wird, dass es genügend
Bankautomaten in der Gemeinde ge
ben wird und dass der Norden nei
disch auf Ihr Dorf blicken wird. Und
besonders Letzteres, verehrte Anwe
sende - das kann ich Ihnen versichern
- werden wir auch noch in fünfzig
Jahren.
Ich wünsche Ihnen einen guten Auf
enthalt im Balzers der nächsten fünf
zig Jahre!