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Rede anlässlich der Präsentation der
«Balzner Neujahrsblätter 2000»
Mathias Ospelt
Die launige Rede des Vaduzer Ka
barettisten und Literaten Mathias
Ospelt anlässlich der Präsentation
der «Balzner Neujahrsblätter 2000»
fand beim Publikum soviel An
klang, dass immer wieder ange
fragt wurde, ob wir das Manuskript
nicht veröffentlichen könnten.
Hier ist es:
Meine sehr verehrten Damen und
Herren Balzner und solche, die es ger
ne wären!
Als ich letzthin von einem uns allen
bestens bekannten Manne gefragt
wurde, ob ich zur Präsentation der
letzten «Balzner Neujahrsblätter» die
ses Jahrhunderts und zum Beginn des
neuen Jahrtausends einen kleinen
Ausflug nach Balzers im Jahre 2050
unternehmen könnte, um Ihnen, ge
schätzte Anwesende, von dieser Reise
zu berichten, da sagte ich begeistert zu!
Balzers - aber wem sage ich das -
geniesst im nicht-balznerischen Zip
fel Liechtensteins ungeheures Anse
hen und es ist - auch dies wissen Sie
schon längst - der Wunsch eines je
den nicht-balznerischen Restliech
tensteiners, einmal im Leben von den
verehrten Balznerinnen und Balznern
das Ohr geschenkt erhalten zu dürfen.
Auch wenn ich versuchen werde, mei
nem Auftrag objektivst nachzukom
men, so möchte ich dies doch in einer
Art und Weise tun, in der ich der dorf
eigenen Kommission «Zukunft» nicht
vorgreife. Es empfiehlt sich vielleicht
deshalb für alle, die die demnächst zu
erwartenden «Zukunfts»-Resultate von
den betreffenden Ressortmitgliedern
persönlich vernehmen wollen, oben
genannte Ohren zu verschliessen und
das Ende meines kurzen Vortrages
abzuwarten.
Gleiches gilt für die «Zukunfts»-Kom-
missionäre, sofern sie sich nicht dem
in durchaus möglichen Leserbriefen
aufgeworfenen - natürlich völlig un
sinnigen - Vorwurf ausgesetzt sehen
wollen, sie hätten ihre Visionen dem
Ospelt abgeschrieben und bei ihrem
Leitbild handle es sich nurmehr um
ein «light» Bild.
Erlauben Sie also einem Unterländer
- denn darum handelt es sich doch,
seien Sie ehrlich, bei jedem, der nörd
lich des «Roxy» wohnt - erlauben Sie
also einem «Vaduzer Mehlhasen»,
Ihnen zwei Tage vor dem Jahreswech
sel einen Ausblick auf die Zukunft Ih
res geliebten Dorfes mit ins nächste
Jahrtausend mitzugeben. Erlauben
Sie mir also für ein paar Minuten, Ihr
«Matthäus im Letzten» zu sein.
Als Erstes gilt festzuhalten, dass
Balzers ganz im Sinne Ihres geschätz
ten Vorstehers Othmar Vogt, der die
ses Amt übrigens auch im Jahre 2050
noch ausüben wird, dass Balzers also,
wie es gestern in einer der beiden
Landeszeitungen stand, bleiben wird,
«was es ist»: Balzers nämlich.
Natürlich wird es sich verändern.
Sich verdichten. Sich komprimieren.
Sich einkochen. Zusammenwachsen.
Vermengen. Verschmelzen. Vereinen.
Aber alles unter Berücksichtigung der
Regeln von Moral und Anstand.
Vaduz zum Beispiel wird im Jahre
2050 überdacht werden müssen, da es
zu einem hypertechnologisierten Fi-
nanzdienstleistungs-Shopville mutiert
sein wird. Schaan wird zum Freilicht
museum zerfallen und Triesenberg
wird sich auf natürliche Weise mit
Triesen vermengen beziehungsweise
sich Stück für Stück auf Triesen drauf
legen. Und das Unterland wird sich
angesichts des nachhaltigen «350-
Jahre-Unterland»-Katers in ein riesi
ges Amphitheater verwandelt haben.
Balzers aber wird bestehen. Wie ein
Fels im Rhein. Wird sein, was es im
mer schon war: das Kleinod des Sü
dens. Das vom Föhn geküsste und
geknuddelte Paradies. «Das Gelobte
Land» wird man es neidisch im neidi
schen Norden nennen. Das Land, wo
Milch und Grappa fliessen, wo sich
Fuchs und Reh noch duzen, ein Ort,
wo «heimatliche Geborgenheit, Ver
trautheit, Sicherheit und Solidarität
vorhanden sind». So wie ein weitsich
tiger Vorsteher 1999 sprach.
Dazu wird es aber leider notwendig
sein, die Einheimischen, also Balz
nerinnen und Balzner, aus ihren ange
stammten Häusern zu zupfen und sie
in neugeschaffenen, modernen Sied
lungen im Riet, im Oberfeld, auf
Guschgfiel und Matta neu anzupflan
zen. Nur so wird gewährleistet sein
werden, dass der Welt der malerische
Dorfkern auch übers Jahr 2050 hin
aus erhalten bleiben wird. Andernfalls
bestünde doch die Gefahr, dass nach
und nach jedes gutbürgerliche Balz
ner Haus bunt bemalt, mit einem Er
ker verziert, mit Multi-Garagen ver
unstaltet und mit viel Marmor und
Gips in eines jener Etablissements
verwandelt würde, wie man sie im
Jahre 2050 gebündelt am Dorfaus
gang Richtung Triesen vorfinden
wird: Die «Sündige Meile», wie sie
dann landauf-landab genannt wird,
wird sich an den angrenzenden
Triesner Campingplatz schmiegen,
der unter dem Namen «Trisuna Park»
mit Achterbahnen und Schnellim
bisslokalen Kinder und viel fahrendes
Volk aus nah und fern zum Gaudi lo
cken wird.
Begeben wir uns jetzt für einen kur
zen Moment auf eine kleine Wande
rung, so wie Herr und Frau Balzers
sie in rund fünfzig Jahren unterneh
men täten, wenn sie dann überhaupt
noch wandern täten:
Wir verlassen also unsere geräumige,
mit allerlei Reproduktionen von «Alt
Balzers» verzierte Wohnung im sieb
zehnten Stock des mittleren Blocks
der Überbauung «Dritte Linie» im
ehemaligen Riet. Sanft, wie von Geis