Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2001) (2001)

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Rede anlässlich der Präsentation der 
«Balzner Neujahrsblätter 2000» 
Mathias Ospelt 
Die launige Rede des Vaduzer Ka 
barettisten und Literaten Mathias 
Ospelt anlässlich der Präsentation 
der «Balzner Neujahrsblätter 2000» 
fand beim Publikum soviel An 
klang, dass immer wieder ange 
fragt wurde, ob wir das Manuskript 
nicht veröffentlichen könnten. 
Hier ist es: 
Meine sehr verehrten Damen und 
Herren Balzner und solche, die es ger 
ne wären! 
Als ich letzthin von einem uns allen 
bestens bekannten Manne gefragt 
wurde, ob ich zur Präsentation der 
letzten «Balzner Neujahrsblätter» die 
ses Jahrhunderts und zum Beginn des 
neuen Jahrtausends einen kleinen 
Ausflug nach Balzers im Jahre 2050 
unternehmen könnte, um Ihnen, ge 
schätzte Anwesende, von dieser Reise 
zu berichten, da sagte ich begeistert zu! 
Balzers - aber wem sage ich das - 
geniesst im nicht-balznerischen Zip 
fel Liechtensteins ungeheures Anse 
hen und es ist - auch dies wissen Sie 
schon längst - der Wunsch eines je 
den nicht-balznerischen Restliech 
tensteiners, einmal im Leben von den 
verehrten Balznerinnen und Balznern 
das Ohr geschenkt erhalten zu dürfen. 
Auch wenn ich versuchen werde, mei 
nem Auftrag objektivst nachzukom 
men, so möchte ich dies doch in einer 
Art und Weise tun, in der ich der dorf 
eigenen Kommission «Zukunft» nicht 
vorgreife. Es empfiehlt sich vielleicht 
deshalb für alle, die die demnächst zu 
erwartenden «Zukunfts»-Resultate von 
den betreffenden Ressortmitgliedern 
persönlich vernehmen wollen, oben 
genannte Ohren zu verschliessen und 
das Ende meines kurzen Vortrages 
abzuwarten. 
Gleiches gilt für die «Zukunfts»-Kom- 
missionäre, sofern sie sich nicht dem 
in durchaus möglichen Leserbriefen 
aufgeworfenen - natürlich völlig un 
sinnigen - Vorwurf ausgesetzt sehen 
wollen, sie hätten ihre Visionen dem 
Ospelt abgeschrieben und bei ihrem 
Leitbild handle es sich nurmehr um 
ein «light» Bild. 
Erlauben Sie also einem Unterländer 
- denn darum handelt es sich doch, 
seien Sie ehrlich, bei jedem, der nörd 
lich des «Roxy» wohnt - erlauben Sie 
also einem «Vaduzer Mehlhasen», 
Ihnen zwei Tage vor dem Jahreswech 
sel einen Ausblick auf die Zukunft Ih 
res geliebten Dorfes mit ins nächste 
Jahrtausend mitzugeben. Erlauben 
Sie mir also für ein paar Minuten, Ihr 
«Matthäus im Letzten» zu sein. 
Als Erstes gilt festzuhalten, dass 
Balzers ganz im Sinne Ihres geschätz 
ten Vorstehers Othmar Vogt, der die 
ses Amt übrigens auch im Jahre 2050 
noch ausüben wird, dass Balzers also, 
wie es gestern in einer der beiden 
Landeszeitungen stand, bleiben wird, 
«was es ist»: Balzers nämlich. 
Natürlich wird es sich verändern. 
Sich verdichten. Sich komprimieren. 
Sich einkochen. Zusammenwachsen. 
Vermengen. Verschmelzen. Vereinen. 
Aber alles unter Berücksichtigung der 
Regeln von Moral und Anstand. 
Vaduz zum Beispiel wird im Jahre 
2050 überdacht werden müssen, da es 
zu einem hypertechnologisierten Fi- 
nanzdienstleistungs-Shopville mutiert 
sein wird. Schaan wird zum Freilicht 
museum zerfallen und Triesenberg 
wird sich auf natürliche Weise mit 
Triesen vermengen beziehungsweise 
sich Stück für Stück auf Triesen drauf 
legen. Und das Unterland wird sich 
angesichts des nachhaltigen «350- 
Jahre-Unterland»-Katers in ein riesi 
ges Amphitheater verwandelt haben. 
Balzers aber wird bestehen. Wie ein 
Fels im Rhein. Wird sein, was es im 
mer schon war: das Kleinod des Sü 
dens. Das vom Föhn geküsste und 
geknuddelte Paradies. «Das Gelobte 
Land» wird man es neidisch im neidi 
schen Norden nennen. Das Land, wo 
Milch und Grappa fliessen, wo sich 
Fuchs und Reh noch duzen, ein Ort, 
wo «heimatliche Geborgenheit, Ver 
trautheit, Sicherheit und Solidarität 
vorhanden sind». So wie ein weitsich 
tiger Vorsteher 1999 sprach. 
Dazu wird es aber leider notwendig 
sein, die Einheimischen, also Balz 
nerinnen und Balzner, aus ihren ange 
stammten Häusern zu zupfen und sie 
in neugeschaffenen, modernen Sied 
lungen im Riet, im Oberfeld, auf 
Guschgfiel und Matta neu anzupflan 
zen. Nur so wird gewährleistet sein 
werden, dass der Welt der malerische 
Dorfkern auch übers Jahr 2050 hin 
aus erhalten bleiben wird. Andernfalls 
bestünde doch die Gefahr, dass nach 
und nach jedes gutbürgerliche Balz 
ner Haus bunt bemalt, mit einem Er 
ker verziert, mit Multi-Garagen ver 
unstaltet und mit viel Marmor und 
Gips in eines jener Etablissements 
verwandelt würde, wie man sie im 
Jahre 2050 gebündelt am Dorfaus 
gang Richtung Triesen vorfinden 
wird: Die «Sündige Meile», wie sie 
dann landauf-landab genannt wird, 
wird sich an den angrenzenden 
Triesner Campingplatz schmiegen, 
der unter dem Namen «Trisuna Park» 
mit Achterbahnen und Schnellim 
bisslokalen Kinder und viel fahrendes 
Volk aus nah und fern zum Gaudi lo 
cken wird. 
Begeben wir uns jetzt für einen kur 
zen Moment auf eine kleine Wande 
rung, so wie Herr und Frau Balzers 
sie in rund fünfzig Jahren unterneh 
men täten, wenn sie dann überhaupt 
noch wandern täten: 
Wir verlassen also unsere geräumige, 
mit allerlei Reproduktionen von «Alt 
Balzers» verzierte Wohnung im sieb 
zehnten Stock des mittleren Blocks 
der Überbauung «Dritte Linie» im 
ehemaligen Riet. Sanft, wie von Geis
	        

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