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Sagenumwitterter Fläscherberg
Felix Vogt
Der Fläscherberg mit seiner geologi
schen Wunderwelt bot genug Mög
lichkeiten, Sagen, wie sie im ganzen
Alpenraum erzählt wurden, in unsere
Gegend zu verlegen.
Die Drachenlöcher
Es muss ein greuliches Untier gewesen
sein, das meistens in den Sümpfen des
Oberfeldes hockte und die Bürger von
Mals immer wieder erschreckte, wenn
es der Hunger zu Raubzügen in das
Dorf trieb. Da brachten ihm die Mäls-
ner vorsorglicherweise Schafe, Ziegen,
ja kostbare Kälber hinaus an den
Sumpf, weil sie damit das Untier von
ihrem Dorfe fernzuhalten hofften.
Auf die selbstverständlichste Möglich
keit, wies eben oft im Leben geht, ka
men sie erst in der letzten Not. Neun
Tage lang beteten sie zur Mutter Gottes;
sie versprachen ihr, eine Kapelle zu
bauen, wenn sie sie in ihrer Güte von
dem Unheil erlöse. Weil ihr Gebet und
ihr Gelübde aus gläubigen Herzen
emporstieg, wurden sie auch erhört.
Derböse Drache zeigte sich nicht mehr.
Das Gelübde aber hielten sie treulich:
Sie erbauten die kleine Wallfahrtskir
che Mariahilf.
Wer diese Geschichte nicht glaubt, er
späht oben auf dem Turm einen
Drachenkopf. Und wenn einer noch
ungläubig ist, diene ihm der Hinweis,
dass in der Nähe der Kirche die Felsen
löcher immer noch «Drachenlöcher»
genannt werden, als eine weitere Bestä
tigung dieser Geschichte aus gefährli
cher Zeit.
Die Eiszeit hat uns viele Zeichen der
riesigen Gletscher hinterlassen, die
unser Land einst bedeckten. Der
Fläscherberg mit seinen vielen Gra-
nitfindlingen öffnet uns die Augen für
das gewaltige Erosionswerk des Eises
und des Wassers. Recht hübsch sind
die ausgewaschenen Felsen am Guata
Gang und eben bei den Drachen
löchern zu beobachten.
Vom idyllischen Dorfplatz bei der
St. Peterskapelle in Mäls folgen wir
der Strasse bis zu den obersten Häu-
sern der Iradug. Rechts zweigt ein
recht steiles Strässchen von der Lida-
strasse ab und entschwindet bald in
einem von Haselbüschen und Eichen
gesäumten Dohlenweg. Wir queren
die Weidehänge über der Matiola und
steigen recht steil am Rande der Fels
wand durch den Buchenwald höher.
Unter einem Felsriegel gehen wir fast
eben über dem recht steilen Wald und
dem darunter abfallenden Felsen da
hin. Immer ausgeprägter werden die
Ausbuchtungen im brüchigen Schie
fergestein, und immer enger und aus
gesetzter wird die Spur zu den Dra
chenlöchern.
Wer sich nicht in das weglose und ab
schüssige Gelände wagt, findet die
ähnliche Felsszenerie am Guata
Gang, welcher bei der Matheid von der
Felswand unterhalb der Drachen
löcher
Lidastrasse abzweigt und auf gut mar
kiertem Bergweg unter den Felsen des
Lidakopfes gegen Fläsch führt.
Die Diabalöcher
Man munkelte in Mäls allerhand. Es
wurde seit einiger Zeit in einem fort ge
stohlen, die Ernte von den Feldern,
Hühner, Enten, sogar Schafe und Zie
gen. Wie staunten die Leute, als ein
fremder Mann bei einem Bauernhof in
Mäls vor die Jauchegrube trat, recht
umständlich einen Wurm an die Angel
setzte, ihn dann in die Grube warf und
gespannt darauf wartete, dass ein Fisch
anbeissen würde.
Recht hinterhältig und lächelnd ant
wortete der seltsame Fischer den ihn
begaffenden Leuten: «Was ich nicht
fange, fängt mein Bruder.»
Wie rissen sie aber die Augen auf, als
aus dem Kamin die ganze Sau gestoh
len worden war. Wie fluchte der Winkel
bauer! Nun wusste er genau, warum
der Fremde in seiner Jauche gefischt
hatte, und verstand auch, warum er
von seinem Bruder gesprochen hatte.
Einmal kam der Winkelhauer in Ge
schäften über den Rhein nach Vilters.
Dort klagte er einem Bauern sein Leid
und Hess sich über die Diebstähle in
seinem Dorfe aus. Da sagte der Schwei
zer nachdenklich und blickte dabei
Zinn Stubenfenster hinaus: «Wenn es
das sein könnte! Über eurem Dorfe,
hoch oben auf dem Ellberge, sehen wir
von hier aus des Nachts immer ein
Feuer brennen. Es könnten Menschen
dort sein.»
In einer der nächsten Nächte zogen der
Winkelbauer und seine Nachbarn be-