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Interview mit Rosa Vogt
Du lebst schon seit sehr langer Zeit in
einem Haus im Herzen der Iradug.
Was hatte der Brunnen damals für
eine Bedeutung für Mensch und Tier?
Den Brunnen hat man sehr oft be
nutzt, um Kleider zu waschen und im
kleineren Becken, dem «Trog», ver
schmutzte Eimer und Schüsseln zu
reinigen.
Früher gab es auch noch keine Was
serhahnen in den Ställen, also ist man
mit den Tieren zum Brunnen gegan
gen, wo sie trinken konnten.
Wie war es mit der Strassen-
beleuchtung?
Früher gab es auch schon Strassen-
laternen. Aber heute gibt es mehr, und
in der Nacht ist es deshalb bedeutend
heller als vor fünfzig Jahren.
Was haben die Kinder für Spiele ge
spielt?
Eigentlich die gleichen wie heute.
Aber heutzutage sind die Kinder selte
ner draussen, um zu spielen. Viele
Kinder sitzen vor dem Fernseher oder
Computer.
Wie haben die Menschen in der Iradug
zusammengelebt?
Haben sie einander geholfen, beispiels
weise bei Feldarbeiten oder bei Krank
heiten von Nachbarn? Sind die Leute
abends zusammengesessen ?
Früher ist man öfters zusammen
gesessen, und heute gehen die meis
ten ins Kino oder bleiben vor dem
Fernseher sitzen. Früher war das halt
nicht möglich, da es noch kaum einen
Fernseher gab. Auch hat man oft zu
sammen das getrocknete Gras in die
Scheune gebracht. Die Zusammenar
beit hat früher wirklich viel bedeutet.
Heutzutage gehen auch viele Leute
mit dem Auto in die Kirche, wohin
man früher noch miteinander zu Fuss
gelaufen ist.
Welche Bedeutung hatte der St. Peter
für die Leute in seiner näheren Umge
bung, was Läuten, Seelenrosenkränze
usw. anbelangt?
Die Kapelle beim St. Peter hatte für
mich eine wichtige Bedeutung, die
darin bestand, dass man zusammen
dorthin ging, in diese kleine Kapelle.
Sie war und ist immer noch sehr ge
mütlich eingerichtet. Und da sie so
klein war, kam man sich untereinan
der näher, und ich finde das Zusam
mensein ist sehr wichtig.
Wie hat man die Ernte eingebracht?
Es war wesentlich anstrengender als
es heutzutage ist, denn man hatte
kaum ein motorbetriebenes Gerät,
das einem die Arbeit abnehmen konn
te. Man musste alles von Hand ma
chen. Aber man hat sich gegenseitig
dabei geholfen, und so stand man sich
in der Nachbarschaft sehr nahe.
Wie war der Zustand der Häuser und
Strassen?
Die Häuser waren zum Teil so alt und
kaputt, dass sie einzustürzen drohten.
Die meisten Häuser standen leer. Als
ich noch klein war, gab es in den Häu
sern noch gar keine Klos und man
musste immer hinausgehen. Dort gab
es dann ein «Plumpsklo», das direkt
in einem Schacht endete. Die Häuser
waren auch immer sehr kalt und
kaum isoliert. Die Strassen waren
noch nicht gepflastert. Sie bestanden
aus Kies und Dreck. Wenn es also reg
nete, kam der ganze Schmutz den Ab
hang herunter. Schächte gab es zu
dieser Zeit auch sehr wenige und sie
wurden immer wieder verstopft und
überschwemmt.
Wie verhielt man sich bei Schicksals
schlägen, z-B. bei Bränden?
Vor dem Feuer hatte man früher sehr
Angst. Wenn es irgendwo einen Brand
gab, gab man oft den Kindern die
Schuld, sie hätten «gezeuselt». Ich
hatte oft Angst vor dem «Zeusein», da
der «Pföö», der bei uns so stark ist,
schnell Feuer entfachte. Auch war es
gefährlich, da es viele Scheunen gab,
die nahe beieinander standen. Wäre
eine Scheune entflammt, wäre das
Feuer auf mindestens eine Scheune
weitergesprungen.
Literaturverzeichnis
Hans Brunhart; Ewald Kaufmann; Roland
Marxen Balzers unser Dorf. Balzers 1979.
Franz Büchel: Die Geschichte der Pfarrei
Balzers. Balzers 1982.
Franz Büchel: Restauration St. Peter, Mäls.
(Festschrift). Balzers 1971.
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Balzers. Gedenkschrift zur Renovation des
Schulhauses Unterm Schloss. Balzers o. J.
Georg Mahn: Kunstführer Fürstentum
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Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des
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Hans Rudolf Sennhauser: Kapelle St. Peter
und Turmhaus in Mäls. In: Jahrbuch des
Historischen Vereins für das Fürstentum
Liechtenstein 71 (1971), S. 5-40.
Emanuel Vogt: Gedenktage aus der Ge
schichte der Gemeinde Balzers. Balzers
1958.