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Den noch unerfahrenen Jungunter
nehmern hatte Georg Burgmeier sen.
das Stricken beigebracht. Er hatte zu
vor in der Strickerei Wanger in
Schaan gearbeitet und dort das Hand
werk gelernt.
Die Auftraggeber, Goldmann in Zürich
und Siegenthaler in Olten, wurden ih
nen ebenfalls durch die Strickerei
Wanger vermittelt."
Die Wolle kam von den Auftraggebern
in Kisten mit der Bahn nach Trüb
bach, wo man sie abholte. Die herge
stellten Produkte mussten in einer
vorgegebenen Zeit abgeliefert und
nach Trübbach auf die Bahn gebracht
werden. War der Auftrag erledigt,
wurde den Strickern der Lohn mit der
Post zugeschickt. Zwar stimmte das
Verhältnis zwischen Lohn und Ar
beitsaufwand nur zum Teil, doch war
man froh, überhaupt eine Arbeit zu
haben. Denn mit einem Volksschul
abschluss und ohne Lehre standen
den jungen Leuten damals nicht allzu
viele Möglichkeiten offen. 12 Dafür
herrschte aber ein ausgesprochen an
genehmes Arbeitsklima.
Das lag sicher zum einen daran, dass
die Strickerei eigentlich ein Familien
betrieb war. Zum anderen spielte na
türlich auch die Tatsache eine wichti
ge Rolle, dass die jungen Stricker in
der kargen Freizeit mehr oder weni
ger die gleichen Interessen pflegten:
Die beiden Brüder Burgmeier und ihr
Schwager Erwin waren Mitglieder
der Harmoniemusik Balzers, Erwin
Büchel und David Burgmeier spielten
auch noch Fussball beim FC Balzers.
Mit dem Lohn, den die jungen Unter
nehmer mit Stricken verdienten,
konnten sie sich gerade das Nötigste
kaufen. Erwin Büchel meinte dazu:
«Wenn der Lohn so geblieben wäre,
hätte man für die Söhne und Töchter
keine Lehre vermögen.» Die Stricke
rei war für sie die einzige finanzielle
Absicherung, und so lebten sie davon
bis nach dem Krieg. Dabei mussten
sie - wie Erwin Büchel im Interview
ausführte - «recht schmal hindurch,
hatten ein paar Franken, aber [man
war] zufrieden».
Der Tagesablauf der Stricker sah
folgendermassen aus: Um 7 Uhr be
gann die Arbeit und dauerte bis
12Uhr. Danach hielten sie eine Stun
de Mittagspause. Anschliessend ar
beiteten sie von 13 bis 18 Uhr. Manch
mal mussten aber auch Überstunden
eingelegt werden, denn schliesslich
arbeiteten sie im Akkord.
Der Arbeitstag dauerte ungefähr zehn
Stunden. Doch einer der Arbeiter
musste noch die Spulen für den fol
genden Tag aufwickeln. Dies konnte
sich manchmal bis um 2 Uhr morgens
hinziehen, und dafür gab es keinen
zusätzlichen Lohn.
Die Strickerei war ausgesprochene
Heimarbeit, bei welcher ein Beitritt
zu einem Verband nichts gebracht
hätte. Die Stricker hatten keine sozia
le Absicherung wie z. B. eine Kranken
oder Unfallkasse. Auch brauchte es
für die Strickerei keine Bewilligung
durch die Regierung. Andererseits er
teilte ihnen die Regierung aber auch
keine Genehmigung, ihre Strickerei
als eigentlichen Gewerbebetrieb zu
führen. Offensichtlich zweifelte man
höheren Orts daran, dass sich der Be
trieb lange halten würde.
Die Stricker spürten die Auswirkun
gen des Zweiten Weltkrieges eben
falls: Sie bekamen schlechteres Roh
stoffmaterial, und ihr bisheriger Auf
traggeber Goldmann aus Zürich, ein
Jude, musste 1944 gar sein Geschäft
aufgeben. Eine Firma Siegenthaler in
Olten versorgte sie danach mit dem
nötigen Rohmaterial.
1947 musste mit der Strickerei aufge
hört werden, weil zu wenig Aufträge
hereinkamen. Diesen Rückgang der
Heimarbeit belegen auch die Rechen
schaftsberichte der Jahre 1945 bis
1948. Zuerst war ein massiver Auf
schwung im Jahr 1945 erkennbar: 228
Personen waren mit Heimarbeit be
schäftigt. Diese Zahl stieg 1947 auf
340 Personen. Danach erfolgte ein ra
pider Rückgang auf 146 Personen in
nerhalb eines Jahres.
Am 5. Dezember 1947 wurde den
Strickern der letzte Lohn ausbezahlt:
80 Franken pro Person für den Monat
November.
Die Brüder Burgmeier fanden bald
Arbeit in der 1946 gegründeten Gerä
tebau-Anstalt Balzers, der heutigen
Unaxis. Erwin Büchel strickte noch
eine Weile in Schaan, bevor er in die
Firma Hoval AG eintrat und dort 34
Jahre blieb.
Abb. von oben nach unten:
Georg Burgmeier sen. (1921-1987)
Erwin Büchel (geh. 1919)
Fünfzig Jahre nach der Schliessung
der Strickerei Höfle 35 versucht Erwin
Büchel, eine der alten Maschinen wie
der in Gang zu bringen.