Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2001) (2001)

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Den noch unerfahrenen Jungunter 
nehmern hatte Georg Burgmeier sen. 
das Stricken beigebracht. Er hatte zu 
vor in der Strickerei Wanger in 
Schaan gearbeitet und dort das Hand 
werk gelernt. 
Die Auftraggeber, Goldmann in Zürich 
und Siegenthaler in Olten, wurden ih 
nen ebenfalls durch die Strickerei 
Wanger vermittelt." 
Die Wolle kam von den Auftraggebern 
in Kisten mit der Bahn nach Trüb 
bach, wo man sie abholte. Die herge 
stellten Produkte mussten in einer 
vorgegebenen Zeit abgeliefert und 
nach Trübbach auf die Bahn gebracht 
werden. War der Auftrag erledigt, 
wurde den Strickern der Lohn mit der 
Post zugeschickt. Zwar stimmte das 
Verhältnis zwischen Lohn und Ar 
beitsaufwand nur zum Teil, doch war 
man froh, überhaupt eine Arbeit zu 
haben. Denn mit einem Volksschul 
abschluss und ohne Lehre standen 
den jungen Leuten damals nicht allzu 
viele Möglichkeiten offen. 12 Dafür 
herrschte aber ein ausgesprochen an 
genehmes Arbeitsklima. 
Das lag sicher zum einen daran, dass 
die Strickerei eigentlich ein Familien 
betrieb war. Zum anderen spielte na 
türlich auch die Tatsache eine wichti 
ge Rolle, dass die jungen Stricker in 
der kargen Freizeit mehr oder weni 
ger die gleichen Interessen pflegten: 
Die beiden Brüder Burgmeier und ihr 
Schwager Erwin waren Mitglieder 
der Harmoniemusik Balzers, Erwin 
Büchel und David Burgmeier spielten 
auch noch Fussball beim FC Balzers. 
Mit dem Lohn, den die jungen Unter 
nehmer mit Stricken verdienten, 
konnten sie sich gerade das Nötigste 
kaufen. Erwin Büchel meinte dazu: 
«Wenn der Lohn so geblieben wäre, 
hätte man für die Söhne und Töchter 
keine Lehre vermögen.» Die Stricke 
rei war für sie die einzige finanzielle 
Absicherung, und so lebten sie davon 
bis nach dem Krieg. Dabei mussten 
sie - wie Erwin Büchel im Interview 
ausführte - «recht schmal hindurch, 
hatten ein paar Franken, aber [man 
war] zufrieden». 
Der Tagesablauf der Stricker sah 
folgendermassen aus: Um 7 Uhr be 
gann die Arbeit und dauerte bis 
12Uhr. Danach hielten sie eine Stun 
de Mittagspause. Anschliessend ar 
beiteten sie von 13 bis 18 Uhr. Manch 
mal mussten aber auch Überstunden 
eingelegt werden, denn schliesslich 
arbeiteten sie im Akkord. 
Der Arbeitstag dauerte ungefähr zehn 
Stunden. Doch einer der Arbeiter 
musste noch die Spulen für den fol 
genden Tag aufwickeln. Dies konnte 
sich manchmal bis um 2 Uhr morgens 
hinziehen, und dafür gab es keinen 
zusätzlichen Lohn. 
Die Strickerei war ausgesprochene 
Heimarbeit, bei welcher ein Beitritt 
zu einem Verband nichts gebracht 
hätte. Die Stricker hatten keine sozia 
le Absicherung wie z. B. eine Kranken 
oder Unfallkasse. Auch brauchte es 
für die Strickerei keine Bewilligung 
durch die Regierung. Andererseits er 
teilte ihnen die Regierung aber auch 
keine Genehmigung, ihre Strickerei 
als eigentlichen Gewerbebetrieb zu 
führen. Offensichtlich zweifelte man 
höheren Orts daran, dass sich der Be 
trieb lange halten würde. 
Die Stricker spürten die Auswirkun 
gen des Zweiten Weltkrieges eben 
falls: Sie bekamen schlechteres Roh 
stoffmaterial, und ihr bisheriger Auf 
traggeber Goldmann aus Zürich, ein 
Jude, musste 1944 gar sein Geschäft 
aufgeben. Eine Firma Siegenthaler in 
Olten versorgte sie danach mit dem 
nötigen Rohmaterial. 
1947 musste mit der Strickerei aufge 
hört werden, weil zu wenig Aufträge 
hereinkamen. Diesen Rückgang der 
Heimarbeit belegen auch die Rechen 
schaftsberichte der Jahre 1945 bis 
1948. Zuerst war ein massiver Auf 
schwung im Jahr 1945 erkennbar: 228 
Personen waren mit Heimarbeit be 
schäftigt. Diese Zahl stieg 1947 auf 
340 Personen. Danach erfolgte ein ra 
pider Rückgang auf 146 Personen in 
nerhalb eines Jahres. 
Am 5. Dezember 1947 wurde den 
Strickern der letzte Lohn ausbezahlt: 
80 Franken pro Person für den Monat 
November. 
Die Brüder Burgmeier fanden bald 
Arbeit in der 1946 gegründeten Gerä 
tebau-Anstalt Balzers, der heutigen 
Unaxis. Erwin Büchel strickte noch 
eine Weile in Schaan, bevor er in die 
Firma Hoval AG eintrat und dort 34 
Jahre blieb. 
Abb. von oben nach unten: 
Georg Burgmeier sen. (1921-1987) 
Erwin Büchel (geh. 1919) 
Fünfzig Jahre nach der Schliessung 
der Strickerei Höfle 35 versucht Erwin 
Büchel, eine der alten Maschinen wie 
der in Gang zu bringen.
	        

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