Franz Tschugmell (1928)
Mein Vater, in Triesen geboren, war Österreicher. Meine Mutter, eine Balzner Bürgerin,
verlor durch ihre Heirat die liechtensteinische Staatsbürgerschaft, wurde ebenfalls
Österreicherin. Wir vier Kinder wuchsen in Österreich auf, als Ausländer.
Den Balzner Bürgern stand damals und steht heute noch der Bürgernutzen in Form von
Losholz zu. Mit Pferdefuhrwerken oder, wenn Schnee lag, mit Schlitten wurden Holz
stämme aus dem Wald geholt, im Hof aufgeschichtet und zu Scheiten verarbeitet. Hol
zen war eine typische Winterarbeit.
Meine Eltern erbauten 1924/25 auf einem Grundstück der Mutter ein Wohnhaus. In der
Küche stand - wie damals in allen Häusern - ein Holzherd, in der Stube ein Kachelofen.
Dieser wurde von der Küche aus befeuert und eignete sich auch zum Brot backen. Doch
Losholz stand den Eltern nicht zur Verfügung. Zudem war es Ausländern verboten, im
Wald oder in den Rheinauen Dürrholz zu sammeln. So holte sich mein Vater das benötig
te Holz (Schwemmholz) draussen am Rhein.
Damals schwoll der Rhein während langen Regenfällen oder bei Gewittern viel stärker und
schneller an als heute. Oft stieg der Wasserpegel bis zirka einen Meter unter die Damm
krone. Dabei führte der Rhein eine immense Menge von Holz mit. Auch während der
Schneeschmelze war der Wasserstand von Mittag bis tief in die Nacht viel höher als heute.
Diese Änderungen sind auf die Stauseen im Bündnerland zurückzuführen. Früher rissen
Lawinen, Muren und reissende Bäche während Gewittern bereits zerkleinerte Holz
stücke in die Tobel der Bergtäler. Von dort aus wurden sie vom Schmelz- und Regenwas
ser direkt in den Rhein geschwemmt. Heute bleibt solches Holz in den Stauseen hängen.
Deren Wasser wird dosiert den Turbinen zugeleitet und fliesst - zusammen mit den vor
geschriebenen Restwassermengen - in mehr oder weniger konstanter Menge den Rhein
herunter. Nur ein paar kleine Bäche, wie zum Beispiel die Landquart oder die Trübbach,
bewirken noch geringe Pegelschwankungen des Rheins.
Bei Hochwasser schwammen oft ganze Stämme und Bäume den Rhein herunter. Ufernahe
Hölzer wurden mit langen Stangen mit Stahlspitzen, aber auch mit Seilen und Stahl
haken «geentert», ans Ufer gezogen und auf den Damm gezerrt. Dies brauchte sehr viel
Kraft und barg etliche Gefahren, so dass wir drei Buben nur in Anwesenheit unseres
Vaters holzen durften. Aber auch dann hatten wir es eher auf kleinere Stücke abgesehen.