Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2000) (2000)

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Roland Marxer (1947) 
Wer hätte vor bald fünfzig Jahren gedacht, dass ich Nachstehendes in rela 
tiv grosser Gelassenheit schreiben könnte. Es fing damit an, dass ich als 
Kleinkind von Mauren über Triesen nach Balzers verpflanzt wurde. Der 
damalige Fortschritt im Vergleich zu Balzers bestand in Mauren zumin 
dest darin, dass ich dort schon den Kindergarten besuchen konnte und in 
den Genuss von «Heuferien» kam, obwohl ich kein Bauernkind war, bei 
meiner Ankunft in Balzers aber wieder in den kindergartenlosen Zustand 
versetzt wurde, weil man hier erst ab fünf Jahren eintreten konnte. Das 
hatte nichts mit einem «Auswärtigenproblem» zu tun, sondern war ein 
fach so. Umso schneller war ich dann im Kindergarten integriert und 
dazu aufgerufen, etwa in Krippenspielen gleich in Hauptrollen aufzutreten. 
Das gab mir auch die Zuversicht, wem immer gegenüber, der mich danach 
fragte, zu sagen, ich sei ein Balzner. «Oha lätz!» Da kam ich jahrelang in 
meiner Unschuld falsch an: «Wämm ghöörscht dänn du?» war die Zusatz 
frage. «Am Wilhelm Marxer» meine Antwort. Flugs folgte der Kommen 
tar: «Dänn bischt du aber kän Balzner!» - was weniger mich, viel mehr 
aber meine Eltern (ein internationales Paar; mein Vater aus Mauren, mei 
ne Mutter Schweizerin) intensiv beschäftigte. Solche Aussagen hatten 
praktische Konsequenzen: Erwiesenermassen lag es nicht drin, dass ich, 
obwohl guter Skifahrer, ein Kinderskirennen in Balzers gewinnen konnte 
bzw. durfte. Der Hauptpreis musste an einen Rennkollegen mit Balzner 
Pass verliehen werden. Ansonsten war ich in meiner Karriere kaum einge 
schränkt. Man liess mich als Oberministrant, Jungwachtmitglied, 
Pfadfinderführer, Funkenbauer, Fussballspieler, Sänger usw., ja sogar als 
Operettenpräsident gewähren, ohne von meiner «Auswärtigkeit» weiter 
Notiz zu nehmen. Ins Alprecht musste ich mich bzw. meine Frau (die 
kommt aus Schaan: nochmals fremdes Blut, aber erst zu einer Zeit in 
Balzers, als das nicht mehr wichtig war) nicht einkaufen, da ich kein An 
recht auf Balzner Gemeindenutzen hatte und habe. Trotzdem hatte mich 
der Vorsteher Mane damals eingeladen, am Büchlein «Balzers, unser 
Dorf», zusammen mit Hans Brunhart und Ewald Kaufmann (der uns lei 
der allzu früh verlassen hat), mitzuwirken, was ich auch gerne tat und 
gerade über das Alprecht und den Gemeindenutzen schrieb. Dabei 
musste ich aber als strenger Wächter über meinen Status sogar den Mane 
in seinem Vorwort korrigieren, weil er mich zusammen mit den beiden 
anderen Autoren als «unsere Mitbürger» bezeichnete, während ich doch 
nur ein Mitbewohner bin - wenn man es ganz genau nimmt. 
Die Zeiten haben sich geändert. Ich wünsche mir für alle, die nach Balzers 
kommen, die Offenheit seitens der Balzner, die sie mir - wenn auch mit 
einiger Verzögerung - nunmehr seit Jahren entgegenbringen. Diese Of 
fenheit ist die Voraussetzung, dass es mit Balzers weiter vorwärts geht.
	        

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