Brigitte Hoffmann (1942)
Balzers, das ist für mich ein ganz stabiler Ort, das ist Heimat. Meine Familie und beson
ders unsere drei Kinder haben die Möglichkeit gehabt, sich hier zu verwurzeln und zu
wachsen. All die Jahre - es sind mittlerweile schon 35 - waren wir nie bedroht, weder von
Naturgewalten, politischen oder militärischen Machenschaften, auch nicht von Einzel
personen.
Unseren dritten Hochzeitstag haben wir in Balzers gefeiert. Blutjung nach heutiger Sicht
kamen wir aus der anonymen Gressstadt Zürich in eine gewachsene, Vertrauen erwe
ckende Struktur. Mit einem «Poppele» hatte ich in Balzers rasch Kontakt, nicht nur mit
anderen Müttern, sondern besonders auch mit älteren Bürgern.
Sehr verlegen wurde ich, als mich ältere Menschen grüssten - Menschen, die ich noch gar
nicht kannte. Also grüsste auch ich fleissig und jeden. Nach kurzer Zeit war das gang und
gäbe für mich. Bei gelegentlichen Besuchen in Deutschland, wo ich aufgewachsen bin,
bemerkte ich wiederum, dass dort die Menschen mit so viel Aufmerksamkeit wenig an
zufangen wussten. Auch hatten unsere Kleinen nicht gelernt, artig an der Hand zu gehen,
was sich in der Stadt sehr stressig bemerkbar machte.
«Peterle» konnte ich nicht im Laden kaufen, denn das hatte jeder im Garten, aber drei
Kleidungsstücke gab mir die Albina zum Probieren mit - ohne Anzahlung, es reichte
schon der Name.
In den Anfangsjahren war in Balzers jede Haustür offen - Tag und Nacht - und ganz beson
ders für die Kinder. «Magsch o än Zviere?», fragte der Marte unsere damals Jüngste so
manches Mal. Regelmässig auftretende leichte Fieberschübe bei der Zweieinhalbjährigen
entpuppten sich bei genauerer Recherche als kräftige Schlucke aus dem Mostkrug.
Eines der Kinder wollte unbedingt eine ältere Balznerin als Firmgotta haben mit der Be
gründung: «I möcht dänks o Verwandtschaft z Balzers haa.» Sie hatte selbst zehn Kinder
und nahm das Ehrenamt lachend an. Dass der Firmausflug ausfallen musste, da eine
Kuh zu kalben begann, bescherte dem Kind ein unvergessliches Erlebnis. Der Firmling
durfte bei der Geburt des Kälbchens dabei sein (natürlich in «Sonntagskleidern») und
hatte nach eigenen Angaben den schönsten Firmtag von allen.