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und bisher genaue Abmachungen ge
fehlt hatten. 65 Zwei vorgängige Grenz
begehungen mit der Gemeinde Bal-
zers hatten keine konkreten Resulta
te erbracht, weil die Gemeinde die
Grenze südlicher haben wollte. Aller
dings waren keine Grenzzeichen
mehr vorhanden. Auch Grenzproto
kolle und Grenzbeschreibungen fehl
ten. Der Geometer wiederum stand
«den Behauptungen der <berühmten
alten Männen etwas skeptisch gegen
über». Ein zweiter Lokaltermin mit
Regierungsrat Alois Wille und Vize
vorsteher Anton Frick brachte keine
Einigung. Regierungschef Alexander
Frick, Vizeregierungschef Ferdinand
Nigg, Regierungsrat Alois Wille und
Prinz Heinrich beschlossen darauf
hin, die von Geometer Bosshardt, der
auch die neue Landesvermessung
durchgeführt hatte, vorgeschlagene
Grenzkorrektur anzuerkennen. Es
lohne sich nicht, wegen dieser Fragen
eine Kontroverse mit der Schweiz zu
provozieren.
Am Tag der Unterzeichnung des
Grenzvertrages (23. Dezember 1948)
behandelte der Bundesrat in seiner
Sitzung abschliessend die drei Fra
genkomplexe, welche zum Abschluss
der Verhandlungen um die neue
Grenzziehung beigetragen hatten.
Für die wirtschaftliche Versorgung
während des Zweiten Weltkrieges
sollten dem Fürstentum Liechten
stein nur SOO’OOO Franken berechnet
werden. Eine abfällige Verstärkung
des Grenzwachtkorps könne nur
durch die Aufstockung aus den eige
nen Reihen erfolgen. Die militärische
Verstärkung der Grenzorgane sei
ausgeschlossen. Eine Garantie zur
Evakuierung der Balzner Bevölke
rung im Kriegsfall wurde nicht abge
geben, jedoch sollte sie den Schwei
zern in ähnlichen Lagen gleichge
stellt werden. 66
Der Grenzvertrag 67 konnte schliess
lich, wie erwähnt, am 23. Dezember
1948 in Bern unterzeichnet werden.
Artikel 1 betraf den Situationsplan
und die Beschreibung der neuen
Grenze vom Rhein über das Ellhorn,
St. Katrinabrunna bis auf das Würz-
nerhorn, Artikel 2 beinhaltete das
Nutzungsrecht der Quelle St. Katri
nabrunna durch die Schweiz. In Arti
kel 3 schliesslich wurde eine ständige
gemischte Kommission mit je drei
Delegierten eingesetzt. Sie hatte die
neue Grenze zu vermessen und zu
vermarken, instandzustellen und zu
unterhalten. Am 1. April 1949 stimm
ten der National- und der Ständerat
dem Vertragswerk zu. Weil es sich um
einen Staatsvertrag handelte, musste
das Ende der Referendumsfrist abge
wartet werden, welche ungenutzt ver
strich. Die Urkunden 68 wurden am
15. August 1949 ausgetauscht. 69
Abtretung und Zugewinn
In den Räumen Ellhorn und And wa
ren Gebiete von zusammen 45 Hekt
aren mit einem Schätzwert von
SO'OOO Franken an die Schweiz abge
treten worden. Dafür erhielt Liech
tenstein (Balzers) auf der Mälsner All
mein und in den Gebieten Fläscher
Riet und Pradwiesen eine gleich
grosse Fläche mit einem Schätzwert
von 120’000 Franken. Die grund-
bücherlichen Eintragungen erfolg
ten im Juli 1951. Für die Schweiz
spielten die 45 Hektaren am Ellhorn,
abgesehen von ihrem militärischen
Nutzen, keine Rolle. Die kleine Ge
meinde Balzers jedoch verlor eines
ihrer markantesten Gebiete. Das Ell
horn, Diabalöcher, Heidakopf und
Freiaberg gehörten nun zur Schweiz.
Im Fläscher Riet/Pradwiesen rückte
die Grenze etwas nach Süden bis zum
Fläscherloch, ebenso wurde im Be
reich Zeneköpfle eine Korrektur vor
genommen.
Den Gebietsausgleich seitens der
Schweiz leistete der Kanton Grau
bünden, worüber der Rechtshisto
riker Peter Liver ein Gutachten anfer
tigte. Es zeigte sich, dass eine solche
Grenzrevision in die Kompetenz des
Bundes fiel. Graubünden verzichtete
am 7. Januar 1949 auf jeden An
spruch, forderte allerdings eine Ver
gütung von 12'000 Franken. Als Fra
ge stand nur noch im Raum, inwie
weit die Gemeinde Fläsch für einen
allfälligen Steuerverlust, der aus der
Abtretung von Gebieten erwachsen
könnte, zu entschädigen wäre. Dar
über hatte sie sich mit dem Eidgenös
sischen Politischen Departement ins
Einvernehmen zu setzen.
Forderungen der Gemeinde Balzers
Insgesamt war die Gemeinde Balzers
unzufrieden, weil das Land gegen den
Willen der Gemeinde die Grenzverle
gung am Ellberg durchgeführt hatte.
Laut Protokollbuch des Balzner Ge
meinderates vom 22. Januar 1949 ver
gütete die Schweiz die im Krieg ange
richteten Militärschäden mit rund
30’000 Franken. Dazu kamen Kosten
für die Instandstellung des Mälsner
Holzweges in Höhe von knapp 7’000
Franken.
Am 9. Januar und 2. Februar 1949 be
schloss die Gemeindeversammlung,
unter Beizug eines juristischen Bera
ters mit der Regierung in Verhand
lungen zu treten, um die Entschädi
gungsansprüche der Gemeinde gel
tend zu machen. Sie musste jedoch
ihre Erwartungen sukzessive zurück
schrauben. In einer Sitzung vom 25.
April verlangte Balzers 1,3 Millionen
Franken Entschädigung für die Ab
tretung des Ellhorns, die Regierung
bot 300'000 Franken. Am 2. Mai
schrieb die Gemeinde nach Vaduz,
dass sie alles erhalten müsse, was die
Regierung von der Schweiz an finan
ziellen Mitteln erhalten habe. Balzers
und seine Bevölkerung seien der leid
tragende Teil des ganzen Handels,
und dem Land stehe «weder ein mo
ralischer noch ein rechtlicher An
spruch zu, zu Lasten der Gemeinde
Balzers irgend einen finanziellen
Nutzen aus der Angelegenheit zu zie
hen». Die Schweiz habe etwa 3 Millio
nen Franken für die Lebensmittel
schuld aus der Zeit des Zweiten Welt
krieges verlangt und diese Forderung
schliesslich auf SOO'OOO Franken re
duziert. Die Gemeinde habe deshalb
beschlossen, ihre eigene Forderung
an das Land auf SOO'OOO Franken zu
beschränken, zumal sie davon ausge
he, dass diese Summe «unter dem Mi
nimum an finanziellem Nutzen des
Landes aus den Ellhorn-Verhand
lungen» hege. Sie glaube jedoch, die
sen Antrag als «anständigen Kom
promiss zwischen den Interessen des
Landes und der Gemeinde gegenüber
vertreten» zu können. 70 Am 17. Mai
1949 schliesslich beschloss der Land
tag, Balzers mit 412’500 Franken zu
entschädigen. Das Referendum wur
de nicht ergriffen.
Die im Grenz-Staatsvertrag verein
barte gemischte Kommission tagte
erstmals am 13. September 1949. Da
bei wurde grundbücherlich festge
legt, dass «die Balzner das Holz aus
der rechten Rheinflanke, genannt Im