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5) Johann Spielmann, Zolleinnehmer
in Balzers, an die Regierung in Vaduz
(11. Juli 1919):
«Um bessere Erfolge in der Eierab
lieferung zu erzielen, wurden gestern
von der Landesnotstandskommission
neue Vorschriften zur Durchführung
anher gesandt. Man kann im vorhin
ein sagen, dass der Erfolg gleich Null
sein wird, da sich die Bewohner von
Balzers an keinen Grenzvorschriften
mehr kehren.
Schon seit Jahren wurde das Zoll
bündnis mit Österreich offen und ge
heim misskreditiert und dagegen agi
tiert. Der Krieg bot nun die günstige
Gelegenheit, dieser anfangs künst
lich erzeugten Volksströmung zum
Durchbruch zu verhelfen ... Über das,
was wir Zollorgane mit unseren
Familien während der Kriegszeit hier
auszustehen hatten, darüber liesse
sich ein Buch schreiben. In Form von
Ulken wurden strafwürdige Akte aus
geübt durch beschmutzen von Amts
tafeln, Fenstern und Hausgängen.
Stundenlang wurden vor unseren
Wohnungen bei Nachtzeit Spott-
und Schmählieder gesungen und
Schmährufe ausgestossen.
Als alle diese Praktiken zu versagen
schienen, organisierten sich die
Schmuggler und übten direkte Bra
chialgewalt gegen die Zollorgane aus.
Heute um Mitternacht fielen drei
Schüsse durch Manlichergewehre,
welche nach Aussage der Finanz
wachorgane gegen jene Richtung ab
gegeben wurden, wo gewöhnlich eine
Nachtpatrouille sich befindet.
Die hohe Regierung wolle bitte nun
konstatieren, wer in der Welt noch zu
haben wäre, derartigen Zuständen
ohne ausgiebige Hilfe zu trotzen und
weiter Dienst zu verrichten.»
Das Verhalten der Balzner konnte
sich aber auch zu ihrem Nachteil
wenden. So verlangten die Balzner
im Jahr 1919, die Schweizer Behör
den möchten eine Lockerung der
Vorschriften wegen der Sperrzone
Fläscherberg erlassen. Die Balzner
erhielten den Bescheid, dass dies
nicht möglich sei, da diese Vorschrift
durch das Verhalten vieler Einwoh
ner von Balzers begründet sei. Diese
Haltung der Schweizer Behörde
wurde auch durch die Tatsache nicht
verbessert, dass am 16. September
von liechtensteinischem Gebiet aus
neuerdings fünf Schüsse abgegeben
wurden, die in der Gegend des
schweizerischen Postens Trübbach
eingeschlugen.
Aber auch im gemeindeinternen
Leben ging es nicht ohne Kon
flikte ab. Manche haben ihren Nie
derschlag in den Gerichtsakten ge
funden: 1918 fand eine Vermittlung
statt, weil die Anna Maria Vogt,
Mäls Nr. 95, zu Lorenz, dem Soh
ne des Josef Vogt, Balzers Nr. 53,
gesagt hatte: «Du bist ein roter Sau
hund!»
Auch der Balzner Pfarrer Schmid,
Lokalschulinspektor, liess der Regie
rung hie und da Klagen zukommen.
Auf Silvester 1921 war nach seiner
Ansicht wieder einmal das behördli
che Eingreifen nötig:
«Beim Gefertigten wurden verschie
dene Klagen über das schlechte Be
tragen der hiesigen Schuljugend vor
gebracht. Deshalb wurde am 28. d.
Mts. eine Konferenz der Lehrperso
nen und am 29. d. Mts. eine Schul
ratssitzung abgehalten. Sowohl die
Herren Lehrer, aber auch der Lokal
schulrat haben sich einstimmig da
hin ausgesprochen, dass die fragli
chen Übelstände grösstenteils vom
schlechten Beispiel erwachsener Per
sonen herrühren, welche die Jugend
gegen jede Autorität aufhetzen und
öffentlich und ungestraft revolu
tionäre Ideen verbreiten dürfen. Es
wurde sehr darüber geklagt, dass
sich die Organe der fürstl. Regierung
um diese Unordnung zu wenig küm
mere und dass man z. B. am Sonn
tagabend keine Polizeiorgane in
Balzers sehe.»
Pfarrer Schmid bat, auf den nächsten
Samstag/Sonntagabend (= Neujahr)
Polizeimänner nach Balzers zu sen
den, welche über das Treiben der
Jugend wachen sollten und sich vor
den Schulbuben nicht fürchteten. Po
lizist Risch wurde angewiesen, am
1. Januar abends in Balzers zu pa
trouillieren.
Dass auch ein Vikar ein kampfeslusti
ger Geselle sein konnte, beweist fol
gendes Ereignis:
Vikar Heinrich Vogt, Strafanzeige
wegen Körperverletzung (13. Juni
1925).
«Täter: Albert Vogt, jun. Plattenbach.
Tatzeit: 12. Juni 1925, nachts. Schür
fungen am Ellenbogen, Schulterblatt,
Knie, Oberschenkel, blutunterlaufe
ner linker Daumennagel.»
Zeugenaussage August Wolfinger:
«Einige Burschen standen am Abend
des 12. Juni vor der Wohnung des
Vikar Vogt auf der Landstrasse. Es
war ca. 10 Uhr abends, als Vikar Vogt
aus dem Hause herauskam und an
die Burschen hinzu trat. Ohne weite
ren Grund habe der Vikar dem Sohne
des Vermittlers Vogt namens Albert
zwei Ohrfeigen heruntergehauen.
Auf den zweiten Schlag soll Vogt dem
Vikar erklärt haben, er werde ihm
ebenfalls eine herunterhauen, falls er
nicht aufhöre und schlug dem Vikar
nach der zweiten Ohrfeige ebenfalls
eins ins Gesicht, dass derselbe zu
Boden kam, jedoch schnell wieder
aufsprang. Hierauf warf der Vikar
einen sog. <Sägbock> gegen Vogt,
sprang weg und holte eine Gabel zur
Stelle und schlug mit dieser auf Vogt
ein. Vogt entriss die Gabel und hieb
mit derselben ebenfalls auf den Vikar
ein.»
Zeuge Gebhard Kaufmann bestätigt
die Aussagen Wolfingers und fügt
bei, dass der Vikar nach der Rauferei
durch ein Fenster heraus gerufen
habe, der «Wenzelbub» soll nur noch
einmal kommen, er hätte schon
einen Revolver für ihn.
Albert Vogt konnte nicht zur Einver
nahme gezogen werden, da derselbe
gegenwärtig in Arosa in Arbeit stand.
Amtsvermerk: «Vikar Vogt telefo
niert, dass er die Verletzungsanzeige
zurückziehe und wünsche, dass die
Sache nicht gerichtlich behandelt
werde. (28. Juni 1925). Einstellung
des Verfahrens.»
Lassen wir zum Abschluss Vorsteher
Gebhard Brunhart, dessen Berichte
immer wieder eine verschmitzte,
eigenständige Persönlichkeit aufblit
zen lassen, zu Wort kommen:
1921 nahm Brunhart mit folgendem
Bescheid zu Klagen über den Zu
stand des Arrestlokals in Balzers
Stellung: «Die Spinnen wurden in
letzter Zeit in ihrer Arbeit nicht ge
stört.»
Zu einer Beschwerde wegen nächtli
chem Singen auf der Strasse meinte
er: «Aber dass die Buben am abend
auf der Strasse nicht einmal ein Lied
singen sollen. - Ich bin ein Freund
vom Gesang.»