Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1998) (1998)

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5) Johann Spielmann, Zolleinnehmer 
in Balzers, an die Regierung in Vaduz 
(11. Juli 1919): 
«Um bessere Erfolge in der Eierab 
lieferung zu erzielen, wurden gestern 
von der Landesnotstandskommission 
neue Vorschriften zur Durchführung 
anher gesandt. Man kann im vorhin 
ein sagen, dass der Erfolg gleich Null 
sein wird, da sich die Bewohner von 
Balzers an keinen Grenzvorschriften 
mehr kehren. 
Schon seit Jahren wurde das Zoll 
bündnis mit Österreich offen und ge 
heim misskreditiert und dagegen agi 
tiert. Der Krieg bot nun die günstige 
Gelegenheit, dieser anfangs künst 
lich erzeugten Volksströmung zum 
Durchbruch zu verhelfen ... Über das, 
was wir Zollorgane mit unseren 
Familien während der Kriegszeit hier 
auszustehen hatten, darüber liesse 
sich ein Buch schreiben. In Form von 
Ulken wurden strafwürdige Akte aus 
geübt durch beschmutzen von Amts 
tafeln, Fenstern und Hausgängen. 
Stundenlang wurden vor unseren 
Wohnungen bei Nachtzeit Spott- 
und Schmählieder gesungen und 
Schmährufe ausgestossen. 
Als alle diese Praktiken zu versagen 
schienen, organisierten sich die 
Schmuggler und übten direkte Bra 
chialgewalt gegen die Zollorgane aus. 
Heute um Mitternacht fielen drei 
Schüsse durch Manlichergewehre, 
welche nach Aussage der Finanz 
wachorgane gegen jene Richtung ab 
gegeben wurden, wo gewöhnlich eine 
Nachtpatrouille sich befindet. 
Die hohe Regierung wolle bitte nun 
konstatieren, wer in der Welt noch zu 
haben wäre, derartigen Zuständen 
ohne ausgiebige Hilfe zu trotzen und 
weiter Dienst zu verrichten.» 
Das Verhalten der Balzner konnte 
sich aber auch zu ihrem Nachteil 
wenden. So verlangten die Balzner 
im Jahr 1919, die Schweizer Behör 
den möchten eine Lockerung der 
Vorschriften wegen der Sperrzone 
Fläscherberg erlassen. Die Balzner 
erhielten den Bescheid, dass dies 
nicht möglich sei, da diese Vorschrift 
durch das Verhalten vieler Einwoh 
ner von Balzers begründet sei. Diese 
Haltung der Schweizer Behörde 
wurde auch durch die Tatsache nicht 
verbessert, dass am 16. September 
von liechtensteinischem Gebiet aus 
neuerdings fünf Schüsse abgegeben 
wurden, die in der Gegend des 
schweizerischen Postens Trübbach 
eingeschlugen. 
Aber auch im gemeindeinternen 
Leben ging es nicht ohne Kon 
flikte ab. Manche haben ihren Nie 
derschlag in den Gerichtsakten ge 
funden: 1918 fand eine Vermittlung 
statt, weil die Anna Maria Vogt, 
Mäls Nr. 95, zu Lorenz, dem Soh 
ne des Josef Vogt, Balzers Nr. 53, 
gesagt hatte: «Du bist ein roter Sau 
hund!» 
Auch der Balzner Pfarrer Schmid, 
Lokalschulinspektor, liess der Regie 
rung hie und da Klagen zukommen. 
Auf Silvester 1921 war nach seiner 
Ansicht wieder einmal das behördli 
che Eingreifen nötig: 
«Beim Gefertigten wurden verschie 
dene Klagen über das schlechte Be 
tragen der hiesigen Schuljugend vor 
gebracht. Deshalb wurde am 28. d. 
Mts. eine Konferenz der Lehrperso 
nen und am 29. d. Mts. eine Schul 
ratssitzung abgehalten. Sowohl die 
Herren Lehrer, aber auch der Lokal 
schulrat haben sich einstimmig da 
hin ausgesprochen, dass die fragli 
chen Übelstände grösstenteils vom 
schlechten Beispiel erwachsener Per 
sonen herrühren, welche die Jugend 
gegen jede Autorität aufhetzen und 
öffentlich und ungestraft revolu 
tionäre Ideen verbreiten dürfen. Es 
wurde sehr darüber geklagt, dass 
sich die Organe der fürstl. Regierung 
um diese Unordnung zu wenig küm 
mere und dass man z. B. am Sonn 
tagabend keine Polizeiorgane in 
Balzers sehe.» 
Pfarrer Schmid bat, auf den nächsten 
Samstag/Sonntagabend (= Neujahr) 
Polizeimänner nach Balzers zu sen 
den, welche über das Treiben der 
Jugend wachen sollten und sich vor 
den Schulbuben nicht fürchteten. Po 
lizist Risch wurde angewiesen, am 
1. Januar abends in Balzers zu pa 
trouillieren. 
Dass auch ein Vikar ein kampfeslusti 
ger Geselle sein konnte, beweist fol 
gendes Ereignis: 
Vikar Heinrich Vogt, Strafanzeige 
wegen Körperverletzung (13. Juni 
1925). 
«Täter: Albert Vogt, jun. Plattenbach. 
Tatzeit: 12. Juni 1925, nachts. Schür 
fungen am Ellenbogen, Schulterblatt, 
Knie, Oberschenkel, blutunterlaufe 
ner linker Daumennagel.» 
Zeugenaussage August Wolfinger: 
«Einige Burschen standen am Abend 
des 12. Juni vor der Wohnung des 
Vikar Vogt auf der Landstrasse. Es 
war ca. 10 Uhr abends, als Vikar Vogt 
aus dem Hause herauskam und an 
die Burschen hinzu trat. Ohne weite 
ren Grund habe der Vikar dem Sohne 
des Vermittlers Vogt namens Albert 
zwei Ohrfeigen heruntergehauen. 
Auf den zweiten Schlag soll Vogt dem 
Vikar erklärt haben, er werde ihm 
ebenfalls eine herunterhauen, falls er 
nicht aufhöre und schlug dem Vikar 
nach der zweiten Ohrfeige ebenfalls 
eins ins Gesicht, dass derselbe zu 
Boden kam, jedoch schnell wieder 
aufsprang. Hierauf warf der Vikar 
einen sog. <Sägbock> gegen Vogt, 
sprang weg und holte eine Gabel zur 
Stelle und schlug mit dieser auf Vogt 
ein. Vogt entriss die Gabel und hieb 
mit derselben ebenfalls auf den Vikar 
ein.» 
Zeuge Gebhard Kaufmann bestätigt 
die Aussagen Wolfingers und fügt 
bei, dass der Vikar nach der Rauferei 
durch ein Fenster heraus gerufen 
habe, der «Wenzelbub» soll nur noch 
einmal kommen, er hätte schon 
einen Revolver für ihn. 
Albert Vogt konnte nicht zur Einver 
nahme gezogen werden, da derselbe 
gegenwärtig in Arosa in Arbeit stand. 
Amtsvermerk: «Vikar Vogt telefo 
niert, dass er die Verletzungsanzeige 
zurückziehe und wünsche, dass die 
Sache nicht gerichtlich behandelt 
werde. (28. Juni 1925). Einstellung 
des Verfahrens.» 
Lassen wir zum Abschluss Vorsteher 
Gebhard Brunhart, dessen Berichte 
immer wieder eine verschmitzte, 
eigenständige Persönlichkeit aufblit 
zen lassen, zu Wort kommen: 
1921 nahm Brunhart mit folgendem 
Bescheid zu Klagen über den Zu 
stand des Arrestlokals in Balzers 
Stellung: «Die Spinnen wurden in 
letzter Zeit in ihrer Arbeit nicht ge 
stört.» 
Zu einer Beschwerde wegen nächtli 
chem Singen auf der Strasse meinte 
er: «Aber dass die Buben am abend 
auf der Strasse nicht einmal ein Lied 
singen sollen. - Ich bin ein Freund 
vom Gesang.»
	        

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