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wurden (z.B. des Landammannes, des
Churer Bürgermeisters, von Depu
tierten etc.). Regelmässige Ausflüge in
die Region hatten staatsbürgerliche
Lehrziele, indem die Schüler dabei
ganz konkret mit geschichtlichen,
namenkundlichen, ökonomischen, po
litischen und naturräumlichen Fra
gen konfrontiert wurden. Das Beispiel
eines solchen Ausfluges gibt die Wan
derung nach Balzers im Mai 1789.
Schulausflüge
Es wird im Jeniser Ausflugsbericht
deutlich, dass die Exkursion auch
konkrete Bildungsziele verfolgte. Die
Schüler sollten sich mit den Fragen,
die sich ihnen während der Wande
rung stellten, auseinandersetzen. Tat
sächlich befassten sie sich mit na
menkundlichen Fragen, dem alten ro
manischen Spachgut, der Organisa
tion der Feuerwehr in den oft von
Bränden heimgesuchten Dörfern -
sechs Jahre nach dieser Exkursion
brannte ja auch ein Grossteil von
Balzers ab - und dem in unseren Ge
genden früher üblichen Kalkbrennen.
Breiten Raum nehmen die Diskussion
über wald- und holzwirtschaftliche
Fragen im Zusammenhang mit dem
Steigwald und über den Strassenbau
ein. 1782-1785 hatten die Drei Bünde
die sogenannte «Deutsche Strasse»
von St. Katrinabrunna über die St. Luzi
steig gebaut. Der Strassenbau hatte
für Balzers, das den Güterverkehr
über die St. Luzisteig nach Maienfeld
besorgte, wichtige Bedeutung. Das
erklärt zum Teil auch die Existenz von
fünf Gasthäusern 1784 und von noch
vier Gasthäusern im Jahr 1789. Ande
re Punkte im Reisebericht betreffen
den Meierhof auf der Steig, die Befe
stigungsanlagen, die Bewässerung
der Steigwiesen und schliesslich den
Grenzübertritt nach Balzers in das
konfessionell anders geprägte und
politisch anders strukturierte Aus
land. Den Schluss bilden die Einkehr
im Wirtshaus «Post», Wirtshaus
klatsch und die Wechselprobleme mit
den damals zahlreichen Münz- und
Geldsorten.
Das Wirtshaus zur Post
Postwirt war damals Johann Ulrich
Sieger (1752-1806), Ehemann der
Anna Maria Franziska Negele (1744-
1823), deren erster Mann der 1773
verstorbene Postwirt Josef A. Wol-
finger gewesen war. Dieser Wolfinger
hatte in das Wirtshaus «Post» einge
heiratet und die rund zweihundert
jährige Tradition der Wolfinger-Wirte
in diesem Gasthaus begründet. Vor
her hatte eine Familie Walser in der
«Post» gewirtet. Mit der Erreichung
der Volljährigkeit 1791 übernahm
Franz Josef Wolfinger, der Sohn von
Josef und Anna Maria Franziska
Negele (also der Stiefsohn Johann Ul
rich Stegers), die Führung des Gast
hauses. Franz Josef Wolfinger war mit
Maria Anna Rheinberger vermählt,
der Tochter des Löwenwirtes in Va
duz.
Balzers und Mals
Balzers und Mäls waren um 1800 klei
ne und eher armselige Dörfchen, wie
das bei den andern liechtensteini
schen Ortschaften und etwa auch
beim Städtchen Maienfeld der Fall
war. Im Jahr 1784 hatte Balzers
gemäss einer Landesbeschreibung
eine Pfarrkirche, zwei Kapellen, 106
Häuser und 382 Einwohner/innen
(ohne Hintersassen). Auf die Bedeu
tung des Warentransports weist auch
der Umstand hin, dass es in Balzers-
Mäls damals fünf Gasthäuser gab,
eine Mühle, eine Säge, einen Schmied
und einen Wagner. Das Hauptein
kommen kam aus dem Fuhrwerk über
die St. Luzisteig nach Maienfeld. An
sonsten lebte man bescheiden von Ak-
kerbau und Viehzucht, von Obst- und
Weinbau. Wein war früher ein Volks
getränk, der als solches auch von Kin
dern und Jugendlichen genossen wur
de.
Im Jahr 1789, als die Jeninser ihren
Ausflug machten, zählte Balzers-Mäls
109 Wohnhäuser, davon standen 40 in
Mäls. Der Jeninser Berichterstatter
erwähnt vier Gasthäuser, die mit ho
hen, vor das Gasthaus gepflanzten
Tannenbäumen gekennzeichnet wa
ren. Im Jahr 1815, zwanzig Jahre nach
dem verheerenden Dorfbrand 1795
und kurz vor der grossen Hungersnot
1816/17, umfasste Balzers-Mäls 127
Häuser mit 752 Einwohnern.
Beschissen Meis
Der Jeninser Reisebericht bezeichnet
Mäls als «Beschissen Meis», wie das
Dorf auch in anderen neuzeitlichen
Quellen manchmal genannt wird. Aus
den Quellen wird deutlich, dass das
kleinere rechtsrheinische «Mäls» vom
grösseren sarganserländischen «Meis»
unterschieden werden sollte. «Mäls»
erscheint in den älteren Quellen meist
als «Kleinmäls» (1500: deines mels,
1552: kleines mails). Der Ort taucht in
den Materialien des Liechtensteiner
Namenbuches für 1613 und 1622 als
«bschissnes Mälss» bzw. als «Bschis
Meis» auf, 1701 als das «Trieben
Meis», 1760 auch als das «ver-
schmisene Meis» und das «beschmis
sen Klein Meis».
Solche Benennungen, die an sich alle
ähnliche Bedeutungen haben (be
fleckt, schmutzig, betrogen, betrüge
risch), waren früher nicht selten. Die
Sprache und der Wortschatz waren
anders, und zahlreiche Wörter, die
heute in ausgesprochen pejorativem
Sinne gebraucht werden, hatten frü
her nicht dieselbe negative Bedeu
tung. Hinzu kam der Spott, den
Grössere für Kleinere oft übrig haben
- die Ortsbezeichnung «Bschessa-
mäls» könnte durchaus spöttischen
und boshaften Charakter gehabt ha
ben. Vielleicht meinte man damit
auch einfach nur, dass Mäls im Ver
gleich zum benachbarten Meis kleiner
war und der Schreiber und Karto
graph einen deutlichen Unterschied
machen wollte. Diese Deutung
(«bschessa» als «verkleinert, vermin
dert») ist eine Spekulation, die sich
anhand der Fach- und Wörterlexika
nicht stützen lässt. Jedenfalls taucht
in den Quellen und in den alten Karten
für Mäls meist die Bezeichnung
«Kleinmäls» auf, was den Ort klar ge
genüber «Meis» abgrenzt. Welche Be
deutung der Begriff «bschessa» im
Zusammenhang mit Mäls hatte, lässt
sich nach heutigem Wissensstand der
Namenkunde nicht abschliessend be
urteilen.