34
Beziehungen zwischen Balzers/Mäls,
Wartau/Gretschins und Sargans
Als gute Beispiele Rir die engen Bezie
hungen zwischen Gemeinden am
Rhein und den sich abzeichnenden
Konflikten können Balzers/Mäls und
Wartau/Gretschins herhalten. Es sind
uns mehrere Urkunden aus bzw. über
diese Dörfer sowohl aus dem 15. als
auch 16. Jahrhundert überliefert, die
unten besprochen werden. Daraus
lassen sich Angaben herauslesen, die
doch in starkem Gegensatz zu den
heutigen Grenzen in diesem Gebiet
stehen. Leider fehlen Karten für die
untersuchte Zeit selbst; auf späteren
Plänen (ab dem 17. Jahrhundert) las
sen sich die Informationen aber eben
falls bestätigen.
- 1487 klagten Wartau und Gret-
schins gegen Balzers und Mäls we
gen ihrer Weiderechte enthalt dem
Rin gelegen. Noch 1494 dauerte der
Streit an, das noch ergeres zu er
wachsen zu besorgen was. Es wurde
entschieden, jede Partei dürfe die
Auen hinter den gesetzten Marken
ungestört benutzen, aber nicht dar
über hinausgehen.
- 1509 bestimmte das Schiedsgericht
im Streit zwischen Balzers/Mäls
und Sargans/Mels, dass die Leute
von Balzers und «Kleinenmeils»
den Freienberg als Weide und für
den Holzhau benutzen durften.
Vom Rhein wurde ein Zaun bis an
den Berg erstellt.
- 1528 war wiederum ein Grenzstreit
zwischen der gemeynenn Kilchhöry
zu Gritschins und der Kilchhörin zu
Balthzers unnd Kleinem Mäls zu ent
scheiden. Die Wartauer bean
spruchten eine Au zwischen der Al
ten Stampf bei Balzers und der
Grenze zwischen Triesen und Bal
zers, also auf rechtsrheinischer Sei
te bzw. zwischen verschiedenen Ar
men des Rheins. Die Grenze wurde
neu festgelegt und Marksteine ge
setzt.
- 1544 warfen die Gretschinser den
Leuten von Balzers und Mäls vor,
unbefugterweise ein neues Wuhr im
Rhein erstellt zu haben. Das Wuhr
durfte zwar stehenbleiben, aber
nicht mehr weiter ausgebaut wer
den. Zudem setzte man Marksteine
für die neu bestimmte Grenze.
- 1575 werden zwischen Balzers/
Mäls und Wartau/Gretschins je sie
ben sog. Hintermarken des Rheins
neu festgesetzt. Dies sind Grenz
punkte hinter dem eigentlichen
Flusslauf, die deshalb weniger
leicht weggeschwemmt werden
konnten. Die Balzner Marken lagen
in der Au, in Bedieren, in St. Anna
Bild, hinter dem Bonow-Wuhr, bei
der Müly und in Runkheletsch.
- 1589 wurden die Hintermarken von
1575 bestätigt und z.T. neu gesetzt.
Zusammenfassung und Ausblick in
die Neuzeit
Wie wir gesehen haben, ist die Grenz
funktion des Rheins einerseits in be
zug auf den herrschaftlich-politi
schen Bereich und andererseits be
züglich der Nutzung zu differenzie
ren:
- Der Rhein als politische Grenze:
Die in der Teilung von 1342 festge
schriebene Trennlinie ennend Ryns
und disent Ryns sowie die zusätzlich
angeführten Gründe für eine Verfe
stigung der «Rheingrenze» zeigen,
dass das Gewässer seit dem 14. Jahr
hundert tatsächlich eine herrschaft
liche Schranke bildete. Allerdings
kann es sich auch dabei nicht um
eine lineare Grenze handeln. Das
Tal im Gebiet zwischen Balzers-
Sargans und Bendern-Haag bildete
im Spätmittelalter gewissermassen
noch einen Grenzsaum. Der Fluss
war eine Art Richtlinie oder Richt
wert, eine Richtungsangabe. Die
ungenauen Vermessungsmethoden
der Zeit erlaubten keine örtlich kla
re Festsetzung einer Grenze. Die
Standorte der Grenzsteine wurden
in den Spruchbriefen beschrieben -
interessanterweise nicht immer in
bezug zum Rhein (Entfernung,
Richtung), sondern auch zu ande
ren Fixpunkten, etwa zu Nuss- oder
Birnbäumen, Felsen usw.
- Der Rhein als Nutzungsgrenze:
Der Lauf des Rheins wurde im 15.
und 16. Jahrhundert als Nutzungs
grenze noch praktisch nicht be
nützt. Es bestanden zahlreiche Un
sicherheiten in bezug auf Nutzungs
rechte; diese gaben Anlass zu zahl
reichen Streitigkeiten zwischen den
links- und rechtsrheinischen Kirch
spielen, den späteren Gemeinden.
Ab dem 14., aber vor allem im 15.
Jahrhundert treten trennende Ele
mente auf. Sie beginnen im politi
schen Bereich ab Mitte des 16. Jahr
hunderts zu überwiegen. Hervorzuhe
ben ist vor allem die unterschiedliche
Orientierung der Landschaften, links-
ufrig hin zu den Eidgenossen, rechts
ufrig in Richtung Habsburg. Das Ende
des Schwabenkrieges mit der De-fac-
to-Ablösung der Eidgenossen vom
Reich machte den Rhein zur Reichs
grenze. Es kam zudem die sich auf den
beiden Rheinseiten unterschiedlich
entwickelnde Reformation dazu.
Im Laufe des 15. und vor allem des 16.
Jahrhunderts ist somit, auch durch
Wuhrstreitigkeiten, eine gewisse Ent
fremdung links- und rechtsrheini
scher Gemeinden und Kirchspiele
festzustellen. Verbindungen waren
dabei nicht ausgeschlossen, nahmen
aber immer stärker ab.
Quellennachweis
Der vorliegende Aufsatz ist im Rahmen der
Arbeitsgruppe «Liechtenstein im Mittelal
ter» (Historisches Seminar der Universität
Zürich und Historisches Lexikon für das
Fürstentum Liechtenstein) entstanden. Er
stellt die Zusammenfassung der entspre
chenden Seminararbeit mit dem Titel «Der
Rhein als Verbindung und Trennung» dar.
Die vollständige Fassung mit ausführlicher
Bibliographie und Quellennachweisen ist
für den Druck vorgesehen (HLFL, 1996).