Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1996) (1996)

31 
Der Rhein im Spätmittelalter: 
Grenze oder Verbindung? 
Von der Funktion des Rheins als politische und landwirtschaftliche Grenze 
im 15. und 16. Jahrhundert 
Mathias Bugg 
Zwischen Balzers und seinen Schwei 
zer Nachbarn jenseits des Rheins be 
stehen gute Beziehungen. Dies ist 
nicht erst heute so, sondern bereits 
seit vielen Jahrhunderten der Fall. 
Eine besondere Bedeutung im Zu 
sammenleben der verschiedenen Dör 
fer kommt dabei dem Rhein zu. Wer 
den Fluss zwischen Balzers-Wartau 
und Bendern-Haag heute betrachtet, 
nimmt ihn ohne weitere Frage als 
Grenze wahr. Auch wenn für viele 
Bewohner links- und rechtsrheini 
scher Gebiete der Rhein keine Schran 
ke im alltäglichen Leben darstellt; Der 
Fluss bildet hier doch politische 
Trennlinie zwischen der Schweiz und 
dem Fürstentum Liechtenstein. 
Dieses heutige Bild unterscheidet sich 
wesentlich von jenem vor 500 Jahren. 
Im folgenden Aufsatz soll deshalb dar 
gestellt werden, inwiefern der Rhein 
bereits im Spätmittelalter eine Funk 
tion als Grenze wahrnahm. Welche 
Faktoren wirkten am Rhein trennend 
und damit grenzbildend? Der Zeit 
raum bleibt hier auf das 15. und 16. 
Jahrhundert beschränkt. In einem 
späteren Beitrag können allenfalls die 
Herausbildung der eigentlichen Lan 
desgrenze sowie die damit im Zusam 
menhang stehenden Konflikte be 
schrieben werden. 
Der «Talvogt Rhein» bestimmt über 
das Leben seiner Bewohner 
Im Rheintal kennt man drei Landes 
nöte; den Rhein, Rüfen von reis 
senden Gebirgsbächen und den Föhn. 
Bereits aus dem 14. Jahrhundert, 1343 
und 1374, sind uns erste schriftliche 
Erwähnungen von Rheinüberschwem 
mungen bekannt. Danach werden die 
überlieferten Angaben stets zahlrei 
cher. Ab 1439 hat man schriftliche 
Kenntnis vom Wuhren einzelner Dör 
fer des Rheintals, also von Mass 
nahmen gegen Überschwemmungen. 
Daraus entstanden zahlreiche Strei 
tigkeiten, die bis ins 20. Jahrhundert 
hinein nicht mehr abbrechen. Der 
Rhein bestimmt zum Teil noch heute 
nicht nur über die Topographie des 
Tals, sondern damit zusammen eben 
so über Wirtschaft, Nutzungen und 
über die erwähnten nachbarschaftli 
chen Beziehungen. 
Früher konnte der Rhein bei Hoch 
wasser fast die ganze Talbreite ein 
nehmen. Ungehindert suchte sich das 
Wasser zwischen dem mitgeführten 
Geschiebe auf weitem, steinigem Ge 
lände seinen Weg. Es war der Weg des 
geringsten Widerstandes. Das Wasser 
floss natürlich nicht kanalisiert, son 
dern in mehreren grösseren und klei 
neren Rinnsalen. Für uns ist heute 
kaum mehr vorstellbar, dass der 
Rhein eine Breite von 1200 Metern 
aufweisen könnte! Rheineinbrüche 
zerstörten jeweils Wies- und Acker 
land und brachten Schäden an Feld 
früchten. Auch die vorhandenen 
Strassen waren gefährdet. 
Links- und rechtsrheinische Gebiete 
waren stark miteinander verbunden 
Noch im 13. Jahrhundert, vor den vie 
len Erbteilungen im Hause der Grafen 
von Montfort (mit ihren Linien von 
Werdenberg, Sargans und Vaduz), 
wurden links- und rechtsrheinische 
Gebiete der Herrschaft als zusam 
menhängend betrachtet. Die beiden 
Brüder Graf Hugo I. von Werdenberg 
und Heiligenberg (gest. 1280) sowie 
Graf Hartmann I. von Werdenberg 
und Sargans (gest. vor 1271) besassen 
vermutlich ab 1258 den südlichen Teil 
des einstigen Montforter Besitzes ge 
meinsam: das Sarganserland, Wer 
denberg, den südlichen Teil des heuti 
gen Liechtensteins (mit Balzers), das 
Montafon, das Klostertal und den 
Walgau bis zur Grenze von Jagdberg. 
Auch durch den Verkehr waren die 
Regionen stark miteinander verbun 
den; 
- Mit Flössen: Bei Trübbach lag eine 
wichtige Haltestelle für Holztrans 
porte aus Graubünden in Richtung 
Bodensee. 
- Mit Fähren: Zur Überquerung des 
Flusses bestanden im Spätmittelal 
ter je ein Fährbetrieb am Schollberg 
zwischen Balzers und Trübbach, 
zwischen Bendern und Haag und 
zwischen Ruggell und Salez. Die 
Fähren hatten wirtschaftliche und 
verkehrspolitische Bedeutung. 
- Durch Furten: In Zeiten mit Niedrig 
wasser konnte der Rhein an seich 
ten Stellen, an sog. Furten, durch 
watet werden. Allerdings waren dies 
unsichere Übergänge und für Wa 
gen nicht geeignet, weil ihr Grund 
oft zu wenig belastbar war. Auf der 
bildlichen Darstellung der Schlacht 
bei Triesen anno 1499 in der Chro 
nik von Johann Stumpf (1547) über 
queren eidgenössische Truppen wa 
tend den Rhein. In Nikolaus Schra- 
dins Schweizer Chronik (1500) ste 
hen kämpfende Truppen bei Maien 
feld im Rheinwasser. Auch wenn 
diese Chronikbilder keine realen 
Abbilder der Landschaft sind, zei 
gen sie immerhin, dass der Fluss 
kein unüberwindbares Hindernis 
sein konnte. 
- Mit Brücken: Erst 1529 wurde die Tar- 
disbrücke bei Malans errichtet. Sie 
blieb jahrhundertelang der einzige 
dauerhafte Übergang; bis in die 
zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts 
konnte keine neue permanente 
Brücke erstellt werden. Zeitweise 
konnte bei der Rheinfähre Balzers- 
Trübbach im Winter eine sog. Win 
terbrücke über den Rhein gelegt 
werden. Vor dem Hochwasser im 
Frühling konnte sie sich aber nicht 
behaupten und wurde stets wieder 
abgebrochen oder fortgeschwemmt.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.