Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1996) (1996)

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Es wurde ein Geviert von etwa 2 x 3 m 
mit Pickel und Schaufel ausgehoben, 
und es dauerte mehrere Tage, bis der 
Aushub der Acker- und Weinberg 
schicht vollendet war. Dabei hatte 
Bruder Peter die grösste Arbeit gelei 
stet. Von da an mussten Pickel und 
Schaufel beiseite gelegt werden, es 
musste vorsichtig vorgegangen wer 
den, denn in dieser Tiefe waren schon 
im vorhergegangenen Sommer viele 
Bronzegegenstände und Keramik 
scherben zum Vorschein gekommen. 
Es wurden jetzt nur mehr Kelle und 
Schabwerkzeuge eingesetzt. Bald ka 
men Bronzeblechanhänger und ver 
schiedene Keramikstücke zutage, und 
es war wiederum mein Bruder Peter, 
der in 1,70 m Tiefe mit einem lauten 
«Kond gi luaga» auf die erste der spä 
ter zur Berühmtheit gelangten Bron 
zefiguren stiess. Es war der kleine 
Hirsch, den Peter gefunden hatte. Von 
da an herrschte unter uns Ausgräbern 
eine gespannte Aufmerksamkeit und 
ein Gefühl erwartungsvoller Eupho 
rie. Es durfte nun nicht übereilt vorge 
gangen werden, Zentimeter um Zenti 
meter wurde abgegraben, und jedes 
Fundstück, sei es ein Scherben oder 
ein Bronzegegenstand, wurde sorgfäl 
tig freigelegt und dann von meinem 
Bruder Hans eingemessen. So förder 
ten wir innerhalb etwa einer Woche 7 
menschliche und 2 Tierfiguren zuta 
ge. Alle waren aus massivem Bronze 
guss, und ihre Fussplatten bzw. Stifte 
zeigten, dass sie einst fest montiert 
irgendwo aufgestellt waren. Es mach 
te auf uns einen ungeheuren Ein 
druck, wie jene Kultfiguren, eine nach 
der anderen, zum Vorschein kamen. 
Vater Egon Rheinberger verständigte 
unverzüglich seine Vorstandskolle 
gen vom Historischen Verein, und als 
bald fand auch eine Vorstandssitzung 
auf Gutenberg statt. Im April 1933 
wurde dann die an Weihnachten 1932 
begonnene Grabung durch Adolf Hild 
weitergeführt und zu einem vorläufi 
gen Abschluss gebracht. Die Hoff 
nung, noch auf weitere figürliche 
Bronzen zu stossen, erfüllte sich aber 
leider nicht. 
Noch einmal gab es eine kleine ar 
chäologische Sensation auf Guten 
berg, als mein Bruder Peter im ober 
sten Teil der Wanne bei einer Ver 
suchsgrabung ein jungsteinzeitliches 
Gefäss der «Rössener Kultur» fand. 
Es war bis dahin, und ist es heute 
noch, der südlichste Punkt in Europa, 
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an dem Keramik aus diesem Kultur 
kreis gefunden wurde. Wenige Jahre 
später lieferten auch die Ausgrabun 
gen auf dem Schellenberg Zeugen die 
ser Kultur des mittleren Neolithi 
kums (etwa 5000 v. Chr.), die nach 
dem Ort Rössen bei Merseburg in Mit 
teldeutschland benannt ist. 
Die Gutenberger prähistorischen Fun 
de haben damals und bis heute in der 
internationalen Fachwelt grösste Be 
achtung gefunden. Sachverständige, 
wie die Professoren O. Menghin aus 
Wien, G. von Merhart aus Marburg/ 
Lahn, E. Vogt aus Zürich, R. Laur- 
Seite aus dem Inventarhuch mit den 
Funden aus der «Wanne», angelegt 
von Adolf Hild, 1933. 
Beiart aus Basel, H. Bessler und E. 
Bächler aus St. Gallen, G. Bersu aus 
Berlin und viele andere kamen aus 
allen Himmelsrichtungen nach Bal- 
zers, um von der Stelle der Ausgra 
bungen auf Gutenberg einen Augen 
schein zu nehmen und die Funde 
selbst zu begutachten. 
Heute steht jedenfalls fest, dass auf 
dem Gebiet des Gutenbergs in der 
zweiten Hälfte des letzten Jahrtau-
	        

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