Genossenschaftswesen Liechtenstein
Vorbemerkungen
Am Anfang dieser Arbeit stand die Erkenntnis, dass einerseits kaum Juristische Literatur zum liechten-
steinischen Genossenschaftswesen vorliegt, andererseits Genossenschaften in Liechtenstein über die
vergangenen Jahrhunderte für die Existenzsicherung der einheimischen Bevölkerung eine zentrale Rolle
spielten. Zudem kommt ihnen eine tragende Rolle bei der Herausbildung des liechtensteinischen Ge-
meindewesens zu.' Im Bericht und Antrag zum Gesetz über die Bürgergenossenschaften hált die Regie-
rung hinsichtlich der heutigen politischen Gemeinden fest: „Sie waren Genossenschaften, bevor sie sich
zum staatlichen Selbstverwaltungskörper entwickelten.“?
Eine Folge dieser Geschichte ist es, dass bis heute ein beträchtlicher Anteil des liechtensteinischen
Grundbesitzes von Genossenschaften gehalten wird. Konkret befinden sich heute noch 42,6 % der liech-
tensteinischen Landesfläche im Eigentum von Genossenschaften. Als Vergleich dazu nennen die poli-
tischen Gemeinden als zweitgrösste Grundeigentümer lediglich 29,2 % der Landesfläche ihr Eigentum,
gefolgt von Privaten mit 25,5 % sowie dem Land Liechtenstein mit 2,7 %.
Hinzu kommt die Erfahrung, dass Genossenschaften weit verbreitet lediglich als ein Erbe der landwirt-
schaftlichen Vergangenheit wahrgenommen werden. Diese einschränkende Perspektive wurde in den
letzten Jahren durch die Gründung der ersten Wohnbaugenossenschaft in Liechtenstein auch in breiteren
Bevölkerungskreisen durchbrochen und um eine neue Facette ergänzt. Umso erstaunlicher ist es, dass
kaum Juristische Literatur noch veröffentlichte Rechtsprechung zum liechtensteinischen Genossen-
schaftswesen existiert.
Entsprechend soll mit dieser Arbeit ein Überblick über das Genossenschaftswesen in Liechtenstein aus
rechtlicher Perspektive vorgelegt werden, um die vielfältige historische Literatur zum Genossenschafts-
wesen zu ergänzen. Da ein Überblick gezwungenermassen viele Details nicht ausleuchten kann, soll
zudem dazu motiviert werden, zu den vielen in diesem Rahmen nicht zu bewältigenden Einzelfragen
vertiefte Juristische Analysen und Nachforschungen hinzuzufügen.
Von Seiten der Genossenschaften ist das Interesse an solchen Arbeiten gross, wie die zahlreichen Ant-
worten und Gesprächsangebote auf ein Schreiben des Autors zeigen, welches er im Herbst 2015 an alle
ihm bekannten liechtensteinischen Genossenschaften schickte. Viele Statuten und Unterlagen wurden
ihm auf diesem Weg übergeben, unzählige interessante Gespräche ermöglicht. Für die Hilfsbereitschaft
und die bereichernden Begegnungen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.
! Sh Marquardt, Genossenschaft, in Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein (Hrsg), Historisches Lexikon des
Fürstentums Liechtenstein I (2013) 286.
? BuA Nr 68/1990, 3.