5 Die vorläufige Anwendung von Staatsverträgen in Liechtenstein
Natürlich ist die Konstruktion der vorläufigen Anwendung auch für Liechtenstein von
Bedeutung. Auch hierzulande wurden Staatsverträge schon vorläufig angewendet.
Wie schon weiter oben des Öfteren festgestellt wurde, hat Liechtenstein 1990 auch
das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge ratifiziert und dadurch
auch eine gewisse Regulierung im Umgang mit der vorläufigen Anwendung erfahren.
Hier darf vorweggenommen werden, dass es zum Rechtsinstitut der vorläufigen
Anwendung in der liechtensteinischen Rechtsordnung selbst keine Rechtsgrundlage
gibt .**® Die vorläufige Anwendung wurde nicht etwa eigenständig kodifiziert wie das
in anderen Landern der Fall ist.**® Es besteht also weder ein Verbot, noch eine
verfassungsrechtliche oder gesetzliche Grundlage, welche die vorläufige Anwendung
im innerstaatlichen Recht legitimiert oder behandelt.**° Diese Situation hat in den
letzten Jahren immer wieder zu verschiedenen Fragen im Umgang mit der
vorläufigen Anwendung geführt. ^^ Vor allem im Zusammenhang mit der für
Staatsvertráge vorgesehenen Zustimmungspflicht des Landtags (gem. Art. 8 Abs. 2
LV) haben sich dadurch verfassungsrechtliche Probleme aufgetan. An dieser Stelle
soll darauf hingewiesen werden, dass bei der folgenden Untersuchung immer von
Staatsvertrágen ausgegangen wird, die gem. Art 8 Abs. 2 LV der
Genehmigungspflicht des LT unterliegen. Sog. Regierungsabkommen sind in diesem
Zusammenhang verfassungsrechtlich gesehen kaum problematisch und daher nicht
Gegenstand dieser Untersuchung. ^*^ Anhand von Anwendungsfállen in der
liechtensteinischen Praxis sollen im Besonderen diese verfassungsrechtlichen
Problembereiche, die sich im Zusammenhang mit der vorláufigen Anwendung in
Liechtenstein ergeben haben, untersucht und besprochen werden. Des Weiteren
werden mögliche Lösungsansätze diskutiert, welche dieses Problem entschärfen
könnten. Als Lösungsansatz wird im Folgenden immer wieder die gesetzliche
Regulierung der vorláufigen Anwendung nach dem Vorbild der Schweiz^* diskutiert.
^3? Natürlich mit Ausnahme des Art. 25 WVK LGBI. 1990/71.
^9 Siehe dazu Kapitel 4.2.1.1.
^9 ygl. Regierung, Beitritt, 2006, S. 13.
^" Siehe dazu die verschiedenen „Bericht und Anträge“ und die daraus resultierenden Lösungsansätze im
Zusammenhang mit der vorläufigen Anwendung in Anhang Il: Vorläufige Anwendung von Staatsverträgen in
Liechtenstein — Liste ausgewählter Praxisbeispielen.
^? Siehe dazu oben Kapitel 3. Ausserdem dürfte sich ein verfassungsrechtlich problematischer Fall der
vorláufigen Anwendung vornehmlich auf solche Staatsvertráge beziehen, die auch unmittelbar anwendbar
sind, also self-executing Charakter aufweisen.
^93 Der Bundesrat kann gem. Art. 7b RVOG iVm Art. 7a RVOG unter gewissen Umständen eine vorläufige
Anwendung auch ohne vorherige Zustimmung der Parlamente beschliessen und vollziehen. Siehe dazu
Kapitel 4.4.1. Dies könnte möglicherweise auch also Vorbild für Liechtenstein herangezogen werden, um eine
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