vorläufigen Anwendung von völkerrechtlichen Verträgen zu entnehmen. Ist also die
Vorbehaltsregel des Art. 19 WVK auch mit vorläufig angewendeten Verträgen
vereinbar?”
Diese Frage lässt sich dahingehend präzisieren, ob auch im Zeitpunkt
der vorläufigen Anwendung ein Vorbehalt formgültig gesetzt werden kann, wenn dies
von den Parteien vereinbart worden ist. Mit Blick auf die Parteiautonomie könnte
gesagt werden, dass auch der Zeitpunkt der vorläufigen Anwendung ein zulässiger
für die Anbringung eines Vorbehalts sein müsste, wenn dies so im Vertrag vereinbart
wurde. Bedenkt man nämlich die Rechtswirkungen, die durch die vorläufige
Anwendung eines Vertrages erzeugt werden“® dürfte auch der Zeitpunkt der
vorläufigen Anwendung ein tauglicher sein, einen Vorbehalt zu diesem Vertrag
formgültig und bindend anzubringen. Denn es ist ja gerade Sinn und Zweck eines
Vorbehalts, diese Rechtswirkungen (einzelner Bestimmungen) eines Vertrages zu
modifizieren und nach dem Parteiwillen abzuändern. Die Vereinbarkeit von
Vorbehalten zum Zeitpunkt einer vorläufigen Anwendung dürfte demnach
unproblematisch sein. Diese Frage stellt sich letzten Endes in der Praxis wohl nicht
und damit verbleibt dies zum jetzigen Zeitpunkt wohl eher eine hypothetische
Überlegung, da eine solche Formulierung (die den Vorbehalt speziell in Bezug zur
vorläufigen Anwendung des Vertrages stellt) bis heute noch aus keinem Vertrag
bekannt ist.“®®
Art. 24 WVK
Wie schon oben erwáhnt, bezieht sich Art. 24 WVK 9? auf das Inkrafttreten
(vorwiegend durch Ratifikation) von vólkerrechtlichen Vertrágen. Hier ist nochmals
klar darauf hinzuweisen, dass es sich bei Art. 24 WVK und Art 25 WVK um zwei
voneinander getrennte Rechtskonzepte handelt, die es zu unterscheiden gilt, da die
vorlàufige Anwendung klar voraussetzt, dass ein Vertrag noch nicht in Kraft getreten
ist. Für das Inkrafttreten der meisten — vólkerrechtlichen Verträge im
zusammengesetzten Verfahren muss etwa eine parlamentarische Genehmigung
eingeholt werden oder aber auch eine bestimmte Anzahl an Ratifikationsurkunden
?*7 ygl. dazu Gómez-Robledo, Fourth report, 2016, S. 6f.
?9$ Siehe dazu weiter unten in Kapitel 4.3.1.
?? Siehe dazu ausführlich Gómez-Robledo, Fourth report, 2016, S. 6f. Dort findet sich auch folgende
Anmerkung: ,As a corollary, no case has been identified in which a State has formulated reservations at the
time of deciding to apply a treaty provisionally. Perhaps the reason for this is that it is much simpler for States
not to include provisions in respect of provisional application on which they would have been required to
formulate reservations."
39? Art, 24 WVK LGBI. 1990/71.
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