subjektives Recht für den einzelnen Bürger in die Rechtsordnung einfliesst. Bei
dieser Form der unmittelbaren Anwendung kann also z.B. eine Privatperson auf
Grundlage der völkerrechtlichen Norm gegenüber einer anderen Privatperson oder
dem Staat Ansprüche geltend machen.?? Auch bei der unmittelbaren Anwendbarkeit
von Völkerrecht gilt es, zwischen den verschiedenen Vólkerrechtsquellen zu
unterscheiden.
Für die unmittelbare Anwendbarkeit von Vólkergewohnheitsrecht lassen sich nur
wenige Beispiele anführen. ©” Auch der unmittelbare Anwendungsbereich für die
allgemeinen Rechtsgrundsátze scheint schon aufgrund ihrer Subsidiaritát gegenüber
den anderen Vólkerrechtsquellen beschrànkt zu sein.?? Daher wird hier nicht speziell
darauf eingegangen. Viel zentraler ist die Bedeutung der unmittelbaren
Anwendbarkeit bei Staatsvertrágen.
Die unmittelbare Anwendbarkeit und dadurch auch die innerstaatliche Verbindlichkeit
hángt von Wesen und Inhalt des Staatsvertrages ab. Es ist zu prüfen, ob die
Vertragsbestimmungen self-executing Charakter besitzen oder nicht (non-self-
executing). Als self-executing kann eine Vertragsbestimmung dann angesehen
werden, ,wenn der Normadressat (Anspruchsberechtigte) so bezeichnet und der
Norminhalt (Anspruch) so formuliert sind, dass die innerstaatlichen Vollzugsorgane
die Bestimmung ohne weiteres anwenden kónnen"?. Mit anderen Worten: Kann der
Staatsvertrag ohne Umsetzungsverfahren durch den Gesetzgeber von den
innerstaatlichen Organen (z.B. Gerichten) unmittelbar angewendet werden? Self-
executing Charakter kónnen sowohl einzelne Bestimmungen eines Vertrages als
auch der gesamte Staatsvertrag an sich aufweisen. * Damit kann also
Vólkervertragsrecht unmittelbar auf den Einzelfall angewendet werden. Nicht
unmittelbar anwendbare Staatsvertráge (non-self-executing Vertráge) bedürfen zu
ihrer Anwendbarkeit, trotz innerstaatlicher Geltung, einer Umsetzung durch das
zuständige Rechtssetzungsorgan ^!. Die Unbestimmtheit dieser Verträge verlangt
also eine Konkretisierung durch den Gesetzgeber, damit dieser auch auf den
3$ ygl. Verdorss/Simma, Universeles Vólkerrecht, 1984, S. 551.
37 Vgl. Verdorss/Simma, Universeles Vôlkerrecht, 1984, S. 552.
3$ Siehe dazu Werner Schroeder in Reinisch (Hrsg.), Ósterreichisches Handbuch des Vólkerrechts — Sonstige
Quellen des Vólkerrechts, 5. Aufl, Manz-Verlag, Wien 2013, S. 97f.
Christina Binder/Karl Zemanek in Reinisch (Hrsg.), Ósterreichisches Handbuch des Vólkerrechts — Das
Vólkervertragsrecht, 5. Aufl, Manz-Verlag, Wien 2013, S. 71.
Vgl. Binder/Zemanek, Volkervertragsrecht, 2013, S. 71.
Zur Zustündigkeit und Konkretisierung solcher Vertráge siehe unten Kapitel 3.4 ,Abschlussverfahren von
völkerrechtlichen Verträgen“.
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