Volltext: Geschichte erforschen - Geschichte vermitteln

Antisemitismus und die Erklärung Nostra aetate 
durch das Christentum zu ersetzen (Substitutionstheorie).!” Wie anders 
argumentiert nun Nostra aetate! Die Erklärung würdigt ausdrücklich die 
nichtchristlichen Religionen in ihrem Eigenwert und findet den Skopus 
im Satz: «Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in die- 
sen Religionen wahr und heilig ist.»'® Nebst den asiatischen Religionen 
hebt das Konzil auch zum ersten Mal in der Kirchengeschichte den Islam 
hervor: «Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslim, die 
den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barm- 
herzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde».!? 
Nostra aetate legt keinen geschlossenen Religionsbegriff vor, son- 
dern sucht einen betont anthropologischen Ansatz, um das Gemeinsame 
unter den Religionen aufspüren zu können: «Was ist der Mensch? Was 
ist Sinn und Ziel unseres Lebens? [...] Was ist jenes letzte und unsagbare 
Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir 
gehen?»?° Die Ausführungen zu den einzelnen Religionen sind in Nos- 
tra aetate äusserst knapp, eher skizzenhaft ausgefallen. Man muss dabei 
aber auch berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit der katholischen 
Kirche für die religionswissenschaftliche Forschung hier noch ganz am 
Anfang steht. Nostra aetate bildet den Ausgangspunkt der Religionswis- 
senschaften innerhalb des theologischen Curriculums, nicht den End- 
punkt. Nostra aetate hat — pointiert formuliert — die traditionelle Mis- 
siologie durch Religionswissenschaften ersetzt. Aus der Substitutions- 
theorie wird der gegenseitige Dialog. 
Christlicher Antijudaismus 
Das Verhältnis von Judentum und Christentum ist hoch komplex. Es 
war in der Geschichte von vielen Feindseligkeiten und dunklen Kapiteln 
17 Zum erneuerten Missionsverstindnis des Konzils siehe das Dekret iiber die Missi- 
onstatigkeit der Kirche Ad gentes. 
18 Nostra aetate 2. 
19 Nostra aetate 3. Die Schreibweise «Muslim» entspricht der offiziellen Übersetzung 
von 1967. Hünermann übersetzt diese Stelle im heutigen Sprachgebrauch: «Mit 
Wertschätzung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den einzigen Gott anbe- 
ten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den 
Schöpfer des Himmels und der Erde». 
20 Nostra aetate 1. 
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