Zur Herkunft des Landesverwaltungs-
pflegegesetzes: eine überprüfende Rekonstruktion
Emannel Schädler
Hinführung
Befragt man den Historiker oder dessen «Cousin», den Rechtshistoriker,
nach seinen Aufgaben, dürfte er als Antwort gemeinhin nennen, es sei
sein Auftrag, sine ira et studio Vergangenes zunächst zu rekonstruieren,
es sodann zu deuten und daraus schliesslich, wo möglich, nützliche
Erkenntnisse für die Gegenwart und für die Zukunft zu ziehen. Um
einen kritischen Einwand vorwegzunehmen, wird er vielleicht noch
ergänzen, dass es bei der besagten Rekonstruktion mitunter trotz aller
methodischen Redlichkeit und ohne jegliche böse Absicht geschehen
kann, dass sich Fehlvorstellungen einschleichen. Wenn das Augenmerk
fest auf eine zentrale Frage gerichtet ist, bei der man letztlich zu aussa-
gekräftigen und vor allem inhaltlich positiven Ergebnissen («X ist y.») zu
gelangen hofft, können sich gerade an der Peripherie und bei Neben-
sächlichem zuweilen unbemerkt Unrichtigkeiten einnisten. Deren
Gefahr besteht darin, dass sie so unauffällig und beiläufig daherkommen,
dass sie kaum Anlass geben, auf sie aufmerksam zu werden und sie zu
hinterfragen. Im schlimmsten Fall werden sie als vermeintliches Faktum
in der Folge als wissenschaftlich gesichert weitergereicht und verfestigen
sich über längere Zeit hinweg in der herrschenden Meinung.
Daraus nun ergibt sich zusätzlich eine besondere Obliegenheit des
Historikers beziehungsweise des Rechtshistorikers: Von Zeit zu Zeit tut
er gut daran, bestehende Rekonstruktionen selbst wiederum in ihrer
Entstehung zu rekonstruieren und daraufhin zu überprüfen, inwiefern
sie auf zutreffenden und inwiefern auf fehlerhaften Vorstellungen beru-
hen — um die letzteren alsdann zu eliminieren. Eine solche Überprüfung
verfolgt dieselben Ziele wie die ursprüngliche Rekonstruktion; sie dient
dazu, die Rekonstruktion der Vergangenheit möglichst den Tatsachen
entsprechend und frei von tradierten Fehlvorstellungen zu halten. Sie
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