Volksabstimmungen über die Verfassung
Verbleib von Hofrat Josef Peer als Regierungschef.'® Knapp 62 Prozent
stimmten am 28. März 1921 dafür,!® aber Peer trat dennoch zurück, weil
er den Rückhalt in der Bevölkerung als zu schwach empfand.
Die Verhandlungen über eine neue Verfassung wurden am 15. Sep-
tember 1920 im Absteigequartier bei Schloss Vaduz geführt und konn-
ten mit den Schlossabmachungen — auch Septemberabmachungen
genannt — abgeschlossen werden.” Die Abmachungen entsprachen
offensichtlich einem Elitenkonsens. Sowohl das Fürstenhaus wie auch
die Vertreter der beiden Parteien — der Christlich-sozialen Volkspartei
und der Fortschrittlichen Bürgerpartei — zeigten sich mit dem Ergebnis
einverstanden.” Die Verfassung von 1921, die inhaltlich auf den Schloss-
abmachungen fusste, sah erstmals vor, dass Volksabstimmungen durch-
geführt werden konnten, sowohl aufgrund einer Volksinitiative oder
eines Referendums wie auch aufgrund eines Landtagsbegehrens. Der
Landtag hätte sicherlich die Verfassung von sich aus dem Volk zur
Abstimmung vorlegen können, zumal ja bereits 1919 Volksabstimmun-
gen angeordnet worden waren. Er tat es aber nicht. Dass dies unterlas-
sen wurde, ist ein Hinweis darauf, dass der Elitenkonsens, der nicht nur
die beiden Parteien, sondern massgeblich auch das Fürstenhaus ein-
schloss, nicht gefährdet werden sollte und wohl auch von keiner Seite
infrage gestellt wurde. Ein Referendum stand also nicht zur Diskussion,
jedenfalls gibt es in den Archiven und Medienberichten der damaligen
Zeit keinerlei Hinweise darauf.
Streitpunkt Wahlrecht in den 1930er-Jahren
Nach Inkrafttreten der Verfassung von 1921 wurde vom Initiativ- und
Referendumsrecht rege Gebrauch gemacht, zunächst aber nicht die Ver-
fassung betreffend. Auch der Landtag brachte von sich aus Vorlagen zur
18 Quaderer-Vogt, Bewegte Zeiten, Bd. 2, S. 183-220.
19 Vogt, 125 Jahre Landtag, S. 234; Amt fiir Statistik, T_10.2.01.
20 Quaderer-Vogt, Schlossabmachungen.
21 Zu den Parteigriindungen 1918 siche Wille, Landtag und Wahlrecht; Michalsky,
Entstehung liechtensteinische Parteien; Geiger, Krisenzeit, Bd. 1, S. 61-66; Quade-
rer-Vogt, Bewegte Zeiten, Bd. 2, S. 13-70. Uberblick fiber die Parteiengeschichte bei
Marxer, Parteien im Wandel.
133