Autorität der Kirche nicht großartig angezweifelt. Obwohl oder eben weil diese „eine wirksame
sittliche Kontrolle über die Gläubigen ausübte.““**
2.4 Kirche
Die liechtensteinischen Pfarreien gehen weit ins Mittelalter zurück und zählten je drei im Ober-
und Unterland. Im Oberland: Balzers, Schaan und Triesen (mit Triesenberg) und im Unterland:
Bendern, Eschen und Mauren. Schaan umfasste als Großpfarrei auch „Vaduz, Planken und den
nördlichen Teil von Triesenberg.“* Seit dem Frithmittelalter war das ,,Gebiet des heutigen
Liechtenstein [...] kirchlich dem Bistum Chur unterstellt.“*® Zu fast hundert Prozent gehörte
die Bevolkerung der katholischen Kirche an und insbesondere Schaan pflegte einen bewussten
Umgang mit den Prozessionen.*’
Die verschiedenen Herrschergeschlechter hatten seit jeher ein enges Verhältnis zwischen
„Thron und Altar“ aufgebaut, weshalb es nicht verwundert, dass nach der liechtensteinischen
Polizeiordnung von 1732 „die Obrigkeit die Bewohner auf die Befolgung der Vorschriften der
katholischen Kirche, z.B. in den Bereichen Kultus, Sitte, Familie“?
verpflichtet. Diese enge
Beziehung wurde lediglich in den Jahren, in denen der Josephinismus etwas mehr Einfluss
erhielt, getrübt. So wurden insbesondere in den Herrschaftszeiten von Fürst Alois I. (1781-
Wanger/Irmen, Bd. 5, 99 f.; zitiert nach: www.e-archiv.1i/D43290; aufgerufen am 10.07.2015.
* Vogt, Staatliche Organisation und Verwaltung, 102. Sowie: Quaderer: Liechtenstein im 19. Jahrhundert, 19.
Zweifel an der Monarchie werden bis heute von einer überwiegenden Mehrheit der wahlberechtigten Bevölkerung
nicht goutiert, wie die Jüngsten Volksabstimmungen zu diesem Thema, 2003 und 2012, zeigen. Die römisch-
katholische Kirche ist bis heute als Landeskirche in der Verfassung verankert. Ermöglicht hat dies wohl Graf
Rudolf von Sulz, der 1510 durch Kauf an die Grafschaft Vaduz und die Herrschafft Schellenberg gelangte und die
Reformation von seinem Gebiet fern hielt. Hierzu: Ospelt, Wirtschaftsgeschichte, 71.
% Näscher, Pfarrei. In: HLFL Bd. 2, 701.
% Quaderer, Liechtenstein im 19. Jahrhundert, 17.
+ Der Bittgang nach Rankweil fand für die Oberen Gemeinden am 1. Mai und für die Unteren am St. Josephstag
statt und „zwar seit alter Zeit.“ Wegen schlechten Betragens der Leute wurden die geistlichen und weltlichen
Obrigkeiten beim Bischof vorstellig.
„Soviele Prozessionen an Josephi und an Philippi und Jakobi gehalten werden, soviel mal wird nach beendigtem
Gottesdienst in Rankweil das Kreuz nicht weiter als bis ins Heiligkreuz begleitet, und in einem Augenblick sieht
man alle Wirtshäuser voll wallfahrender Saufbrüder und Zechschwestern und das Kreuz kann in Gottes Namen
allein mit dem Fahnen nach Haus gehen. Sobald der Wein den Kopf zum Narren gemacht, so zanken sie gemeinlich
wegen den Menschen. Manche tragen aus lauter Wallfahrteifer blutige Köpfe nach Haus."
Auf Gesuch der Obrigkeiten muss der Bischof wohl die Prozession verboten haben, wohlgemerkt nur den Oberen
Gemeinden. Die Unterländer, möglicherweise wegen besserer Ordnung, durften mit Erlaubnis des Bischofs ihrer
Tradition weiterhin nachgehen. Dennoch versuchte der Pfarrer Orhi [Öhri Anm.] von Schaan beim Ordinariat eine
Erlaubnis für die Prozession einzuholen. Schliesslich hatten die Schaaner_ innen gedroht auch ohne geistlichen
Beistand Kreuz und Fahnen aus der Kirche zu nehmen und nach Rankweil zu ziehen. Die Erlaubnis wurde nicht
erteilt und so zogen die Schaaner_innen 1786 ohne „geistliche Begleitung nach Rankweil.“ Erst 1842 wurde der
Bittgang nach Rankweil eingestellt. Büchel, Geschichte der Pfarrei Schaan, 66-67.
% Wille, Kirche und Staat. In: HLFL. Bd. 1, 439-440.
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