1. Einleitung
Umgeben von Pflastersteinen aus Marmor und Juweliergeschäften befand ich mich vor
geraumer Zeit im Zentrum von Vaduz, dem Hauptort Liechtensteins, als mich ein Tourist nach
der Altstadt, dem Zentrum fragte. Daraufhin musste ich ihm erwidern, dass er sich mitten im
Zentrum befinde. Historische Bauten, die von einer bäuerlichen Vergangenheit zeugen,
weichen immer öfter modernen Neubauten. Doch nur weil die Vergangenheit in ihrer
architektonischen Manifestation, nach und nach durch potentielle Zeugen der Gegenwart
ersetzt wird, verschwindet diese nicht. Auch wenn sie, so wage ich zu behaupten, bei den
jüngeren Generationen in Vergessenheit gerät.
So entsprang die vorliegende Arbeit dem Bedürfnis nach einer intensiveren
Auseinandersetzung mit der „armen‘“ Vergangenheit des heute gemeinhin als reich
wahrgenommen Liechtensteins. Geleitet vom Interesse an gesellschaftlichen Prozessen und
dem Umgang der Mehrheitsgesellschaft mit Minderheiten und Randgruppen, gelangte ich über
die Auseinandersetzung mit Arbeitshäusern zum Armenhaus in Schaan, welches nun
Gegenstand dieser Diplomarbeit ist.
1.1 Forschungsstand & Aufbau der Arbeit
Das Thema Armut und Sozialfürsorge im Raum Liechtenstein wurde bereits von verschiedenen
Seiten beleuchtet. Die Grundlage hierfür bleibt bisher insbesondere der Aufsatz aus dem Jahre
1999 von Sabine Veits-Falk und Alfred Stefan Weiß unter dem Titel «Armselig sieht es aus,
die Not ist nicht zu beschreiben». Armut als soziales und wirtschaftliches Problem des 18. Und
19. Jahrhunderts, dargestellt am Fallbeispiel Liechtenstein. Ein weiterer Beitrag zur
Sozialgeschichte Liechtensteins ist der Aufsatz von Gerhard Wanner im Historischen Jahrbuch
für das Fürstentum Liechtenstein aus dem Jahre 1970. Dieser Aufsatz bietet eine gute
Grundlage, jedoch gilt es, wie Veits-Falk und Weiß zurecht hervorheben, die Tatsache zu
bemängeln, dass der Aufsatz gänzlich ohne wissenschaftlichen Apparat auskommt. Zahlreiche
weitere Beiträge beziehen sich insbesondere auf die benachbarten Länder Österreich und
Schweiz. Ein Überblickswerk zur Liechtensteinischen Sozialgeschichte fehlt, doch finden sich
diverse punktuelle Beiträge; erst kürzlich erschienen sind Untersuchungen zum Schicksal von
Unterschichtsfamilien, die zur Arbeit ins Ausland ziehen mussten, wie etwa die 2013
erschienene Arbeit von Klaus Biedermann: Auf Arbeit in Oberschwaben und in Vorarlberg: