Zur Matura ins Ausland
Es waren jedoch nicht immer ausschliesslich die intellektuellen Fähig-
keiten des Kindes, die über den Besuch einer höheren Bildungseinrich-
tung entschieden. In Liechtenstein herrschte im 19. Jahrhundert Armut.
Bargeld war kaum vorhanden. Ein regelmässiges Einkommen fehlte
meistens. So war es in vielen Fällen schlicht unmöglich, auch nur einem
Kind eine höhere, gymnasiale Ausbildung zukommen zu lassen, für die
in der Regel am betreffenden Schulort Kost und Logis bezahlt werden
musste. Die Familien waren auf Stipendien von aussen angewiesen, die
aber die Kosten meistens nicht vollumfänglich deckten. Und auch dann
noch bedurfte es eines Kraftaktes der ganzen Familie, damit dem meist
ältesten Sohn der Besuch des Gymnasiums finanziert werden konnte.
Vielfach waren es die Dorfpfarrer oder die Lehrer, die die Familien
bei ihrer Entscheidung, ob der Sohn in ein Gymnasium wechseln sollte
oder nicht, unterstützten oder sogar für sie entschieden. Bei begabten,
aber in ärmlichen Verhältnissen lebenden Schülern versuchte man, die El-
tern mittels eines möglichen Stipendiums von der Machbarkeit zu über-
zeugen. Der Dorfpfarrer war auch meistens derjenige, der die angehen-
den Gymnasiasten ausserschulisch mit zusätzlichen Deutsch- und La-
teinkenntnissen versah. Ein eventuelles späteres Theologiestudium der
Gymnasiasten war dabei sicherlich ein Hintergedanke der Geistlichen.!
3. Die Bedeutung von (katholischen) Internatsschulen
Wie in Liechtenstein war auch das Schulwesen in der Schweiz stark vom
Katholizismus geprägt. Einige der in der Schweiz heute noch bestehen-
den (Kloster-)Schulen wurden im Mittelalter — oder auch schon früher —
gegründet. So gibt es beispielsweise Belege dafür, dass das Gymnasium
in Saint-Maurice schon zu Beginn des 6. Jahrhunderts existierte. Die
Klosterschulen in Einsiedeln, Engelberg und Disentis datieren aus dem
10., 12. respektive 13. Jahrhundert.!® Auch wenn eine grosse Anzahl die-
ser Schulen während der Reformationszeit in ihrer Existenz gefährdet
war, erlebten sie spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts einen
(Wieder-)Aufschwung. In der Schweiz wurde mit dem Ende des Kultur-
17 Bleyle, Gymnasium in Feldkirch, S. 109.
18 Bischofberger, Katholische Gymnasien im Wandel, S. 59-60.
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