Gründerrechte
1. Einleitung
Die privatrechtliche Anstalt behauptet sich schon seit langer Zeit als eine der wichtigsten Rechtsfor-
men in Liechtenstein. In der weitreichenden Ausgestaltungsfreiheit der Anstalt zeigt sich der liberale
Ansatz des Gesetzgebers des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR)' besonders
gut. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Anstalt haben jedoch auch zu Unsicherheiten ge-
führt und Fragen betreffend die Rechtsnatur — insb. im Zusammenhang mit den Gründerrechten — auf-
geworfen. Ein Teil dieser Fragen konnte mit der Gesellschaftsrechtsreform 1980 beantwortet werden;
so bspw. die Móglichkeit einer Übertragung der Gründerrechte und die Existenz von Gründerrechten
überhaupt.” Weitere Fragen blieben jedoch unbeantwortet und neue Fragen wurden erst mit der Re-
form aufgeworfen. In dieser Arbeit werden einige relevante Problemstellungen im Zusammenhang mit
den Gründerrechten der Anstalt diskutiert.
1.1 Problemaufriss und Gang der Untersuchung
Betrachtet man die statistischen Zahlen zu den Rechtsformen in Liechtenstein, spielt die Anstalt —
trotz einer klaren Abwártstendenz — neben der nicht eingetragenen Stiftung, die wichtigste Rolle.’
Diese Wichtigkeit spiegelt sich jedoch in der Literatur nicht wider, so fristet die Anstalt in der Lehre
und Literatur eher ein Schattendasein und wurde nur von wenigen Autoren grundlegend behandelt.*
In der Praxis lásst sich vernehmen, dass in Bezug auf die Anstalt eine nicht unerhebliche Rechtsunsi-
cherheit herrscht. Eine Schwierigkeit liegt sicherlich darin, dass bei der Auslegung, im Gegensatz zu
den meisten anderen Rechtsformen des PGR, nicht auf auslándische Literatur und Rechtsprechung
zurückgegriffen werden kann, weil es sich bei der Anstalt um eine liechtensteinische Eigenkreation
handelt. Die Anstalt hält eine grosse Anzahl an Gestaltungsvarianten bereit, was die Komplexitit er-
hóht und für die Rechtssicherheit nachteilig ist. So muss beispielsweise bei einer stiftungsáhnlich aus-
gestalteten Anstalt auch das Stiftungsrecht mitbedacht und berücksichtigt werden. Das heisst, dass,
wer die Anstalt verstehen will, auch die anderen Rechtsformen des PGR kennen muss. Auch in aktuel-
leren Entscheidungen der liechtensteinischen Gerichte zeigt sich, dass es noch einiges an Arbeit bedarf,
! PGR LGBI 1926/4.
? Wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, sind die Gründerrechte eine ,Erfindung* der Praxis, welche
erst mit der Gesellschaftsrechtsreform 1980 Eingang ins PGR gefunden haben.
? Amt für Justiz, Statistik http://www.llv.li/4/1982/statistik (Stand 7.4.2016).
^ [n diesem Zusammenhang kann auf folgende Werke verwiesen werden: Marok, Die privatrechtliche liechten-
steinische Anstalt (1994); Tamm, Die liechtensteinische privatrechtliche Anstalt im Todesfall des Gründers unter
besonderer Berücksichtigung der deutsch-liechtensteinischen Rechtsbeziehungen (2003).