Volltext: Berufszufriedenheit der Lehrpersonen im Fürstentum Liechtenstein im Fokus von Schulgeschichte und Schulentwicklung

5.4.1 Zwischenbetrachtung: Zur Dialektik zwischen „Bottom-up“ und „Top-down“ 
Die vorangehend zitierte, aus dem Jahr 2003 stammende, wissenschaftliche Evaluation des 
mehrjährigen SBSE-Projektes von Markus Roos (2003), damals auch Lehrbeauftragter am 
Pädagogischen Institut der Universität Zürich, enthält auf 153 Seiten nicht nur einen Über- 
blick über den gesamten Projektverlauf — bis zur gesetzlich verordneten Abschaffung der 
Notenbeurteilung an den liechtensteinischen Primarschulen — sondern auch darüber, wie 
sich über Jahre die Rezeption des Projektes innerhalb der Lehrerlnnenschaft verándert hat. 
Dabei tat sich im Hinblick auf Schulentwicklung und Berufszufriedenheit wieder ein interes- 
santes Spannungsfeld auf: Waren Lehrerinnen und Lehrer bzw. der Primarlehrerverein in der 
Entstehungs- und Anfangsphase des jahrelangen Projektes’® noch die partizipativen Trieb- 
federn des Projektes — und die „Euphorie der Lehrpersonen“ (Roos, ebd.) so hoch, dass sich 
gleich mehrere Schulhäuser als Pilotschulen bewarben, so zeigte sich — folgt man dem Eva- 
luationsbericht — in der Implementierungsphase teilweise ein geradezu spiegelverkehrtes 
Bild. Vor allem für die Lehrkráafte jener letzten Primarschulen, die mehrere Jahre nach den 
,Filotschulen" die neuen Beurteilungsformen nicht mehr nur umsetzen durften, sondern per 
Gesetz'*? umsetzen mussten, stellte sich das Projekt offenbar eher als Belastung dar. Roos 
führt dies in seinem Evaluationsbericht u.a auf die Tatsache zurück, dass die Pilotschulen 
bessere Rahmenbedingungen für die Entwicklung hatten'?? als die spáter obligatorisch fol- 
genden Schulen. Zudem hátten wáhrend des langen Projektzeitraumes von insgesamt zehn 
Jahren auch weitere schulische Innovationen stattgefunden, die sich mit den Zielen von 
SBSE ohnehin zu decken schienen — weshalb auch die explizite ,Inszinierung" von SBSE als 
Schulprojekt zunehmend nicht mehr nachvollzogen werden konnte, sondern auch als massi- 
ve zusátzliche Arbeitsbelastung empfunden worden sei. Die in diesem ,go/denen Zeitalter 
der Schulentwicklung" (Bueler et al. 2005) ,hohe Kadenz von Projekten (...) wie Früheng- 
lisch, Integration, Computer(einsatz), Leitbild, Lehrplan (...) ohne ausreichende Konsolidie- 
rungsphase" (Roos 2003, S.25 ff) dürfte aus Sicht der Schulentwicklungsexperten eine wei- 
tere Herausforderung dargestellt haben. 
Etwas freier interpretiert liesse sich auch folgende Hypothese ableiten: Bottom-up entwickel- 
te Innovationen kónnen auch in ein Top-down-Paradigma abgleiten, wenn nach (zu) langer 
Entwicklungszeit Akteure und Bedürfnisse wechseln. VVas in der spáteren Implementie- 
rungsphase gelitten hat, ist móglicherweise das im Theorieteil dieser Arbeit (Kapitel 3.3.8.) 
schon beschriebene Konzept der Rekontextualisierung (Fend 2008 und 2008a). Zwar hat die 
Schulsystemsteuerung Ergebnisse und Produkte der Entwicklungsarbeit an den Pilotschulen 
in ihr Gesamtsystem integriert, in der Implementierungsphase aber die inzwischen neu ein- 
  
131 Zwischen Regierungsauftrag zum Projekt 1990 und der endgültigen flächendeckenden gesetzmäs- 
sigen Umsetzung im Jahr 2000 lag eine Dekade. 
132 Onlineverzeichnis 35 
133 lángere Entwicklungszeit, engmaschigere Betreuung, Startmotivation, óffentliche Aufmerksamkeit, 
usw" (Roos 2003, ebd.) 
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