Kritik an der Schulentwicklung — als Forschungszweig und Arbeitsbegriff übt der ehemalige
Professor für Sonderpädagogische Psychologie an der Universität Oldenburg, Jörg Schlee.
Für ihn ist die , Schulentwicklung gescheitert" (Schlee 2014, Titel des Buches). Schulentwick-
lung sei ein „inflationär gebrauchter Begriff‘ und habe ,seinen Nutzen verloren" (ebd., S.52).
Schlee wirft den Modellen der Schulentwicklungsforschung die Ausblendung der konkreten
Unterrichtssituation als erstrangige Fragestellung vor. Schlee lásst an mehreren Stellen sei-
ner kritischen Schrift an den steuerungsorientierten Ansátzen Rolffs oder Holtappels' kein
gutes Haar, u.a. da sich menschliches individuelles Lernen nicht top-down standardisieren
und steuern lasse. Für Schlee müsse ,Mikro (...) immer Ausgangspunkt und Maßstab für
Meso und Makro bleiben". (ebd. S.174) Fends Modell kritisiert er, weil es ,die Perspektive
des top-down, also von Makro zu Mikro" (ebd.) einnehme. Ansonsten schreibt Schlee aber
dem aus Vorarlberg stammenden Pädagogen, Helmut Fend®®, wenigstens eine „sorgfältig
und anschauliche (Beschreibung) der unterschiedlichen Gestaltungs- und Organisationsebe-
nen des Schulsystems“ zu (ebd.).
3.3.9 Konsequenz für die Onlinebefragung
Bei Lehrerinnen und Lehrern mag Fends Folgerung jedenfalls auf offene Ohren stossen,
dass , Vorgaben von ,oben' (...) durch Erfahrungen auf der operativen Ebene veránderbar"
sind (Fend 2006, S.174f). Im Hinblick auf die Berufszufriedenheitserhebung im empirischen
Teil dieser Arbeit scheint schlussfolgernd wichtig zu sein, wie Lehrerinnen und Lehrer die
Relevanz? institutioneller und páàdagogischer Impulse und Instrumente der Schulentwick-
lungsforschung für die eigene alltägliche Praxis einschätzen, bzw. wie sie damit zufrieden
sind. Daher scheint es sinnvoll, Elemente — wie Schulprogramm, Leitbild, Standards, Lehr-
plan, interne und externe Evaluation, SchiLF?', usw. — in die Befragung aufzunehmen.
Wenn im Hinblick auf Fends Rekontextualisierung gefolgert werden kann, dass ,Top-down'-
und ,Bottom-up"-Prozesse einander quasi bedingen, so dürfte für die Umfrage auch von Be-
deutung sein, wie gut das ,Bottom-up"-Prinzip aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer funktio-
niert — sprich: wie sehr sie ihre Móglichkeiten zu Mitsprache und Mitwirkung im schulischen
Geschehen einschátzen, bzw. wie zufrieden sie damit sind. Dies ist speziell für Liechtenstein
interessant, zumal der Paradigmenwechsel zur geleiteten Schule erst vor wenigen Jahren
vollzogen wurde? und von Lehrerinnen und Lehrern als Einschränkung bisheriger Gestal-
tungs- und Mitwirkungsmóglichkeiten empfunden werden mag — und sich im Befragungser-
gebnis entsprechend niederschlagen kann (vergl. Kapitel 8.5 und 8.6).
59siehe Fends Profil im Internetauftritt des Instituts für Erziehungswissenschaften der Universität Zü
rich (http://www.ife.uzh.ch/research/teb/emertius.html)
80Auf die Frage der Relevanz wurde aufgrund der Pretest-Ergebnisse verzichtet, dafür wurde nach
dem Bekanntheitsgrad einzelner Schulentwicklungsinstrumente gefragt.
S'Abkürzung für ,schulinterne Lehrerfortbildung“
8/siehe dazu die náheren Betrachtungen in Kapitel 5.7. (Meilenstein 7: Das Projekt ,SPES1^
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