Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Zuständigkeiten und Verfahren 
Die Entscheidungen des Staatsgerichtshofes in den Fällen der abstrakten 
und konkreten Normenkontrolle? entfalten zusätzlich zur Behörden- 
und Gerichtsverbindlichkeit verfassungsgerichtlicher Entscheidungen 
eine allgemein verbindliche Wirkung.?® Sie sind für jedermann verbind- 
lich, sodass in diesem Zusammenhang von einem «erga omnes-Effekt» 
die Rede ist.?® Diese allgemein verbindliche Wirkung, die nicht nur alle 
Bürger und Bürgerinnen, sondern auch den Gesetzgeber erfasst, 
erstreckt sich aber nur auf den Spruch der Entscheidung und nicht auch 
auf das gesamte Urteil bzw. auf die in den Gründen enthaltenen Urteils- 
elemente. Diese sogenannten «tragenden Entscheidungsgründe» können 
allenfalls zur Auslegung des Entscheidungstenors verwendet werden.?* 
Die Entscheidungsformel erwächst mit der Kundmachung im Landesge- 
setzblatt in Rechtswirksamkeit,?® sofern der Staatsgerichtshof die «Auf- 
hebung»?% nicht um längstens ein Jahr aufschiebt. Der Anlassfall ist 
hiervon allerdings ausgenommen. ?7 
  
301 Siehe Art. 18, 20 und 22 SGHG. Dazu zählen auch Entscheidungen im Individual- 
antragsverfahren nach Art. 15 Abs. 3 SEGHG, das allgemein den Normenkontroll- 
verfahren zuzuordnen ist. So Tobias Michael Wille, Verfassungsprozessrecht, S. 844. 
302 Vgl. Tobias Michael Wille, Verfassungsprozessrecht, S. 844 f.; zur alten Rechtslage 
Herbert Wille, Normenkontrolle, S. 334 ff., an der sich in dieser Hinsicht nichts 
geändert hat. Siehe BuA Nr. 45/2003 der Regierung vom 12. August 2003, S. 55, der 
auch erklärt, warum der Begriff «Gesetzeskraft», wie ihn der Gesetzesvorschlag für 
ein Staatsgerichtshofgesetz 1992 (dazu Herbert Wille, Normenkontrolle, S. 337 f.) 
vorgesehen hatte, nicht übernommen wurde. Dabei wird darauf hingewiesen, dass 
der Staatsgerichtshof nicht Gesetzgeber im Sinne der Verfassung sei. Es sei auch ins- 
besondere zur Aufhebung einer gesetzwidrigen Verordnung eine «Anordnung mit 
Gesetzeskraft» nicht angebracht. Werner Heun, Verfassungsordnung, S. 206 ist der 
Ansicht, dass die Gesetzeskraft der Bindungswirkung kaum etwas hinzufügt und 
sich ohnehin allein auf den Tenor beschränkt. Im Kern sei «sie nichts anderes als das 
Korrelat der allgemeinen Bindungswirkung von Gesetzen». 
303 Vgl. Werner Heun, Verfassungsordnung, S. 206. 
304 Vgl. Tobias Michael Wille, Verfassungsprozessrecht, S. 845 mit Hinweis auf deut- 
sche Literatur. 
305 Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass nur dem Entscheidungsspruch und nicht 
auch den Entscheidungsgründen allgemein verbindliche Wirkung zukommt. 
306 Es geht nur um normverwerfende Entscheidungssprüche oder solche, die die Ver- 
fassungswidrigkeit feststellen, wie dies dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 3 SIGHG zu 
entnehmen ist. 
307 So ausdrücklich Art. 19 Abs. 3 SIGHG. Im abstrakten Normenkontrollverfahren 
und bei Individualanträgen gibt es keinen Anlassfall. Vgl. auch Karl Korinek/An- 
drea Martin, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 78. 
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