Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Mitzuständigkeiten — Mitwirkungsbefugnisse des Landesfürsten 
Art. 9 statuiert, versteht es sich, dass die Verfassungskonformität nicht 
Gegenstand dieser Fragestellung sein kann und insoweit eine Beschwer- 
demöglichkeit gegen eine Sanktionsverweigerung oder -unterlassung an 
den Staatsgerichtshof nicht gegeben ist. 
Teilt man jedoch die Auffassung, wonach eine Sanktionsverweige- 
rung oder -unterlassung eines vom Landtag beschlossenen oder eines in 
einer Volksabstimmung angenommenen Gesetzesbeschlusses des Land- 
tages ım Anwendungsfall gegen Art. 3 1. ZP EMRK verstösst,®3 so wäre 
zu überlegen, ob man sie gestützt auf Art. 15 Abs. 1 und 2 SSGHG mit 
Individualbeschwerde beim Staatsgerichtshof rügen könnte. Danach ist 
Voraussetzung, dass sich die Konventionsverletzung gegen eine enderle- 
digende letztinstanzliche Entscheidung oder Verfügung der öffentlichen 
Gewalt richtet. Geschützt werden verfassungsmässig gewährleistete 
oder in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Rechte 
der Bürger. Die «öffentliche Gewalt» umfasst zwar begrifflich «sämtli- 
che Träger von Hoheitsgewalt», also auch den Landesfürsten. Unter 
«Entscheidungen und Verfügungen» sind aber «ausschliesslich hoheitli- 
anderen Konventionsrecht geltend gemacht werden kann. Siehe Christoph Graben- 
warter/Katharina Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, S. 485 Rz. 170. 
353 Diese Frage ist im Schrifttum umstritten. In der Judikatur des EGMR findet sich 
kein Hinweis. Nach Gerard Batliner, Die Sanktion der Gesetze, S. 138 f. dürfte «eine 
absolut wirkende Sanktionsverweigerung oder -unterlassung, die einen parlamenta- 
risch gültig zustandegekommenen Gesetzesbeschluss beseitigt oder zumindest sei- 
ner Substanz beraubt [...], mit Art. 3 des Zusatzprotokolls (zur EMRK) nicht ver- 
einbar sein.» Vgl. auch Rainer J. Schweizer, Kommentar zu Art. 13 EMRK, S. 51 f. 
Rz. 108. A. A. Stephan Breitenmoser, Rechtsgutachten zur Frage der Konsequenzen 
des Urteils des EGMR, S. 48. Er hält fest, dass die Verweigerung der landesfürstli- 
chen Sanktion funktional der Ablehnung einer Vorlage durch den Landtag ent- 
spricht und als solche unter dem Aspekt von Art. 13 EMRK nicht beschwerdefähig 
sein müsse. Dagegen führen Jochen Abr. Frowein/Wolfgang Peukert, Europäische 
Menschenrechtskonvention, S. 681 Rz. 2 zu Art. 3 des 1. ZP aus: «Art. 3 verbietet 
nicht, dass neben diesem Parlament nicht gewählte Häuser bestimmte Mitwir- 
kungsrechte haben, wie es für das House of Lords in Grossbritannien gilt. Aller- 
dings dürfte Art. 3 dahin zu verstehen sein, dass einer nichtgewählten Körperschaft 
nicht etwa ein Vetorecht zustehen darf.» In diesem Zusammenhang ist auch zu er- 
wähnen, dass nach britischem Verfassungsrecht das Staatsoberhaupt im Gesetzge- 
bungsprozess materiell kein Ablehnungsrecht besitzt. So weist Ludger Helms, Der 
parlamentarische Gesetzgebungsprozess in Grossbritannien, S. 416 darauf hin, dass 
dem Monarchen «im Rahmen des Billigungsprozederes nicht einmal der offizielle 
Lang- Titel eines Gesetzes, geschweige denn der Text einer beschlossenen Vorlage» 
unterbreitet wird. 
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