Einberufung, Schliessung, Vertagung und Auflösung des Landtages
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Durch das Recht, den Landtag aufzulösen, hat der Fürst neben der Ver-
zögerungsfunktion die Möglichkeit, eine augenblickliche Volksstim-
mung auszunutzen und eine für ihn günstige Zusammensetzung des
Landtags herbeizuführen. Der erhebliche Grund, der dafür angegeben
wird, muss nicht einmal zutreffen. Es genügt, wenn der Fürst diesen
behauptet.!#5
Die Landtagsauflösung stellt so gesehen in der Hand des Fürsten
ein wirksames «Repressionsinstrument» dar.!*46 Die Auflösung beendigt
die Legislaturperiode. Der Landtag ist nicht mehr in der Lage, rechtlich
wirksame Aktivitäten zu entfalten.
Die Vertagung und Schliessung sind typische konstitutionelle Ver-
fassungselemente, wie sie noch in der Verfassung 1921 dem Fürsten vor-
behalten bleiben. Dem Volk steht nur die Einberufung und Auflösung
zu. Es kann im Wege einer Volksabstimmung den Landtag einberufen
oder auflösen. !*7
Im Unterschied zur Einberufung und Schliessung, die in der
Rechtsform einer landesfürstlichen Verordnung ergehen und vom
Regierungschef gegengezeichnet werden, enthält die Verfassung keine
Formvorschriften bzw. näheren Angaben zur Art und Weise, wie die
Auflösung und Vertagung vor sich zu gehen haben. Da es sich um
hoheitliche Akte handelt, wird in der Literatur unter Bezugnahme auf
Art. 85 und 86 LV überwiegend die Meinung vertreten, dass der Aus-
spruch über die Auflösung und Vertagung des Landtages zu ihrer Gül-
tigkeit der Gegenzeichnung durch den verantwortlichen Regierungschef
bedarf.!4® Die Gegenzeichnungspflicht schützt aus konstitutioneller
145 So Ernst Pappermann, Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, S. 129.
146 Nach Enno Starke, Parlamentsauflösung, S.7 kann das Auflösungsrecht «die
Gestalt einer Waffe in der Hand der Regierung (im vorliegenden Fall des Landes-
fürsten) im Kampf um die Behauptung der innerstaatlichen Macht annehmen».
Siehe Georg Hermes, Art. 68 GG, S. 1277 Rz. 1.
147 Vel. Art. 48 Abs. 2 und 3 LV.
148 Vgl. Christine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 233 mit Hinweis auf Gerard Batli-
ner, Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht, S. 47; Gregor Steger,
Fürst und Landtag, S. 88, Thomas Allgäuer, Die parlamentarische Kontrolle über
die Regierung, S. 36 Fn. 23; a. A. Günther Winkler, Begnadigung und Gegenzeich-
nung, S. 56 f.
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