Ausschliesslicher Kompetenzbereich des Landesfürsten — Alleinzuständigkeiten
Der Landesfürst ist nach wie vor befugt, den Notstandsfall selber zu
bestimmen und während dessen sechsmonatiger Dauer Entscheidungen
ohne Landtag und Volk als alleiniger Inhaber der Notstandsgewalt zu
treffen.’*
3. Lehre und Praxis
In der Lehre wird die Frage aufgeworfen, ob das Notstandsverord-
nungsrecht des Fürsten durch die Regierung ausgeübt werden muss.”
Die Staatspraxis ist uneinheitlich.” Es haben sich sowohl der Landes-
fürst” als auch die Regierung auf die Notstandskompetenz gestützt. Die
wohl herrschende Meinung schreibt sie dem Fürsten selbst zu.’® Dafür
spricht der Normtext der Verfassung, der im Wortlaut auf $ 24 S. 3 der
Konstitutionellen Verfassung von 1862 zurückgeht und im Landesfürs-
ten seinen festen Bezugspunkt hat, sodass sich diese Bestimmung inner-
74 Arno Waschkuhn, Politisches System Liechtensteins, S. 122 war 1994 noch mit
Blick auf den seinerzeitigen Verfassungsentwurf von Wilhelm Beck, der die nach-
trägliche Zustimmung des Landtages vorsah, der Ansicht, dass Fürst Hans-Adam II.
gegenüber einem solchen Vorschlag wahrscheinlich keine Bedenken hätte und eine
Verfassungsänderung in diesem Sinne sanktionieren würde. Er verweist darauf, dass
die Zustimmung oder Aufhebung der Anordnung des Fürsten auch mit einer Volks-
abstimmung verbunden werden könnte. Ein solches Vorgehen entspräche der Kon-
zeption des Fürsten, die er für eine europäische Verfassung entwickelt habe. Siehe
dazu jedoch vorne S. 320 Fn. 65. Vgl. auch den Verfassungsänderungsvorschlag von
Ernst Pappermann, Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, S. 141.
75 Vgl. Andreas Kley, Grundriss, S. 198 mit Literaturhinweisen. So steht nach Hans
Nawiasky, Rechtsgutachten, S. 7 das Notstandsverordnungsrecht der Regierung zu.
Ebenso Wilfried Hoop, Die Auswärtige Gewalt, S. 147. Andere weisen den Fürsten
als Träger des Notstandsverordnungsrechts aus. Siehe Christine Weber, Gegen-
zeichnungsrecht, S. 163 mit weiteren Hinweisen.
76 Vgl. nur Andreas Schurti, Das Verordnungsrecht der Regierung, S. 73 f.
77 Vsl. die Notverordnungen vom 18. Februar 1943, LGBl. 1943 Nr. 4; vom 13. Juli
1982, LGBl. 1982 Nr. 49 und vom 10. August 1990, LGBl. 1990 Nr. 47; zur Kritik
an den beiden letztgenannten Notverordnungen siehe Martin Batliner, Politische
Volksrechte, S. 18 Fn. 17 und Arno Waschkuhn, Politisches System Liechtensteins,
S. 122 f.
78 So Ernst Pappermann, Die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, S. 77 und an
ihn anschliessend Christine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 163 unter Bezug-
nahme auf Gregor Steger, Fürst und Landtag, S. 77; Gerard Batliner, Parlament,
S. 32 ff.; Michael Ritter, Beamtenrecht, S. 67 Fn. 52.
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