Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Verfassungsstreitigkeiten 
über eine Position der Zurückhaltung einnimmt. Sie äussert sich in der 
Formel, dass sich der Staatsgerichtshof nicht «an die Stelle des Gesetz- 
gebers» setzen könne und dürfe.?? Hinzuweisen ist auch auf die geän- 
derte Bedeutung des Instituts der Verfassungsstreitigkeit. Der Staatsge- 
richtshof entscheidet als konfliktneutraler Dritter in sachlicher und 
organisatorischer Unabhängigkeit auf der Grundlage der Verfassung. Es 
geht nicht mehr um eine Machtfrage, wie dies unter der Konstitutionel- 
len Verfassung von 1862 noch der Fall gewesen ist. Die Verfassungsfra- 
gen, mit denen er sich gemäss Art. 112 LV 1921 zu befassen hat, sind 
dementsprechend Rechtsfragen. Im Vordergrund stehen namentlich 
Kompetenzstreitigkeiten. Die Verfassung von 1921 nimmt zwar eine 
Kompetenzverteilung zwischen Fürst und Landtag vor, definiert aber 
wesentliche Funktionen als Mitbestimmungszuständigkeiten?® und lässt 
ım entscheidenden Fall die Frage offen, sodass «hierüber der Staatsge- 
richtshof zu entscheiden» hat. 
2. (Verfassungs-)Gerichtliche Entscheidung 
Art. 112 der Verfassung von 1921 beinhaltet daher mehr als nur eine 
Nachführung von schon bestehendem Verfassungsrecht. Es werden der 
staatlichen Gewalt und mithin auch der fürstlichen Gewalt von Verfas- 
sungs wegen Grenzen im Wege der Verfassungsgerichtsbarkeit gezogen. 
Verfassungsstreitigkeiten mit dem anderen Träger der Staatsgewalt sollen 
nicht durch einen Schiedsspruch oder gar durch einen Machtspruch des 
Fürsten bereinigt werden, sondern durch den Staatsgerichtshof in Form 
einer (verfassungs-)gerichtlichen Entscheidung.?* Dazu bedurfte es 
eines von den beiden Trägern der Staatsgewalt, Fürst und Volk bzw. 
Landtag, unabhängigen Kontrollmechanismus, für den auch rechtsstaat- 
liche Überlegungen sprachen, wie sie im Vorfeld der Verfassung von 
1921 postuliert worden sind.” Wird unter diesen Voraussetzungen 
  
302 Vgl. zum Thema «Staatsgerichtshof und Gesetzgeber» Herbert Wille, Verfassungs- 
gerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein, S. 49 ff. und hinten S. 665 ff. 
303 Siehe hinten S. 358 ff. 
304 Vgl. Gerard Batliner, Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht, S. 26 f. 
und 99. 
305 Vgl. Herbert Wille, Verfassungsgerichtsbarkeit im Fürstentum Liechtenstein, S. 23 f. 
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