Postulat der Rechtsstaatlichkeit
II. Konstitutionelle Verfassung von 1862
Der Streit um den Schutz grundrechtlicher Freiheit musste unter der
Konstitutionellen Verfassung von 1862 anlässlich der Gesetzgebung aus-
getragen werden. Der Landtag soll für den Schutz bürgen. Grundrechte
in der Verfassung erschöpften sich damit in einer programmatisch-
appellativen Funktion. Zu konkretisieren waren sie durch die Politik.?
Die Grundrechte waren keine naturrechtlichen oder vorstaatlichen, son-
dern vom Staat bzw. vom Fürsten den Bürgern gewährte Rechte.?! Sie
stellen kein unmittelbar geltendes Recht dar und konnten vom Einzel-
nen nicht eingeklagt werden.?? Es gab kein Verfassungsgericht, das die
Geltung der Verfassung auch in Konfliktfällen durchgesetzt hätte. Die
Grundrechte verstanden sich als Staatsbürgerrechte. Sie sind textlich als
Rechte und Pflichten der Staatsbürger und nicht als Menschenrechte
ausgewiesen.?3 Sie hatten nur eine begrenzte Wirkung und bildeten
keine rechtlichen Schranken für die Gesetzgebung.?*
II. Schlossabmachungen
Die Schlossabmachungen vom 11./13. September 1920 nehmen diese
rechts- und verfassungsstaatlichen Anliegen auf.?75 Sie finden Eingang in
die Regierungsvorlage, die den verfassungsgerichtlichen Schutz noch
ausbaut, und schliesslich in die Verfassung von 1921.77 Der individuelle
Rechtsschutz wird gestärkt und zum Schutze der Verfassung ein Staats-
gerichtshof mit weitreichenden Normenkontrollbefugnissen errichtet.?77
Die nähere Ausgestaltung erfolgt im Gesetz vom 21. April 1922 über die
270 Vgl. Thomas Würtenberger, Von der Aufklärung zum Vormärz, S. 89.
271 Vgl. Thomas Würtenberger, Von der Aufklärung zum Vormärz, S. 64.
272 Vgl. Thomas Würtenberger, Von der Aufklärung zum Vormärz, S. 61.
273 Sie werden im Zweiten Hauptstück der Konstitutionellen Verfassung von 1862 als
Rechte der «Landesangehörigen» bezeichnet.
274 Vgl. Werner Heun, Die Struktur des deutschen Konstitutionalismus, S. 378.
275 Siehe Ziffer 4 der Schlossabmachungen.
276 Vgl. Art. 92 und 104 LV 1921.
277 Zur Entstehungsgeschichte siehe Herbert Wille, Verfassungsgerichtsbarkeit im
Fürstentum Liechtenstein, 5. 14 ff.
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