Volltext: Ein Bürger im Dienst für Staat und Wirtschaft

ten, die klug abwechselnden Lokalfarben und eine köstliche Harmonie und Frische auf. Venedigs Malerei und Venedigs Licht werden Goethe zur ersten grossen Offenbarung im Hinblick auf seinen Farbensinn. In Venedig hat er, nach eigener Aussage, sehen gelernt, denn in der Heimat, im thüringischen Weimar, lebe man, wie er schreibt, auf staubigem, farb- losem Boden und in engen Gemächern, wo man einen solchen «Froh- blick» aus sich selbst, wie die Venezianer, nicht entwickeln könne. Als Goethe nach Italien fährt, hat er bereits literarische und poli- tisch-berufliche Erfolge zu verzeichnen, und um möglichst unbehelligt zu bleiben, reist er, wenn auch mit der noch unfertigen 
Iphigenieim Koffer, weder als Dichter noch als Weimarischer Minister, sondern als pittore tedesco, als deutscher Maler, unter dem Pseudonym Filippo Mil- ler. Tatsächlich zielen Goethes schöpferische Ambitionen zu dieser Zeit nicht nur auf die dichtende, sondern auch auf die bildende Kunst. Er schliesst eine Laufbahn als Maler nicht aus, liebäugelt vielmehr ernsthaft mit dieser Idee und lässt sich unter anderem von Philipp Hackert, dem Hofmaler des Königs von Neapel, im Zeichnen und Malen unterrichten. Wie eng sich bei ihm die Künste aneinander schmiegen, geht aus dem Wechselspiel hervor, das Goethe zwischen Dichtung und Malerei pflegt. In Ermangelung brauchbarer Schriften über literarische Techniken und Gattungen, an denen er sich schulen will, weicht er in die Kunstge- schichte aus, hoffend, dort das Gewünschte in vergleichbarem Sinne zu finden. Doch erkennt er bald schon das «Bodenlose» seiner kunsthisto- rischen Kenntnisse, insbesondere seiner Kenntnisse über die Farbe in der Malerei. Auch hier aber tritt ihm wenig «Belehrendes» entgegen, viel- mehr muss er feststellen, dass selbst die lebenden Künstler «aus schwan- kenden Überlieferungen handeln». Er jedoch sieht sich nach «Gesetzen» und «Regeln» um, und eben diesbezüglich soll die Reise nach Italien Abhilfe schaffen. Goethe denkt «selbst über die Sache nach» und ge - winnt die Einsicht, «daß man den Farben, als physischen Erscheinungen, erst von der Seite der Natur beikommen müsse, wenn man in Absicht auf Kunst etwas über sie gewinnen wolle». Am 14. Mai 1787 notiert er folgenden Eindruck auf der Rückfahrt mit dem Schiff von Sizilien nach Neapel: «Und so war der Nachmittag vorbeigegangen, ohne daß wir unseren Wünschen gemäß in den Golf von Neapel eingefahren wären. Wir wurden vielmehr immer westwärts getrieben ... Jedermann war ver- drießlich und ungeduldig, wir beiden aber,» – Goethe ist in Begleitung des Malers Christoph Heinrich Kniep unterwegs – «die wir die Welt mit 273 
Goethe –das Auge, die Totalität der Farben und der Begriff der Freiheit
	        

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