Volltext: Prozessökonomie in der liechtensteinischen Zivilprozessordnung von 1912

b) Allmähliche Weichenstellungen für künftige Reformen Erstens die Reformbestrebungen seit jeher sowie deren konkrete Ent- würfe seit 1862, zweitens die neu erlassenen, ergänzenden Einzelverfah- rensgesetze betreffend besondere Verfahrensarten sowie drittens die Zivilprozessnovelle von 1874 zeigten eines deutlich: Sie alle rückten in ihren 
Grundsätzen von denjenigen der Allgemeinen und Westgalizi- schen Gerichtsordnung ab, ja liefen ihnen sogar zuwider, um den zeitge- nössischen Anforderungen an das Zivilverfahren zu genügen.24 Die beiden 
Gerichtsordnungen statuierten einen Zivilprozess fol- genden Gepräges: Er lief in starren, aufeinanderfolgenden Stadien ab, gekennzeichnet durch Präklusion und präkludierende Fiktionen; er war beherrscht von Mittelbarkeit, Heimlichkeit, weitreichender Schriftlich- keit, Anwaltszwang sowie formalisierter und gesetzlich gebundener gerichtlicher Beweiswürdigung; ferner herrschten weitestgehende Dis- positions- und Verhandlungsmaxime sowie Parteibetrieb mit kompen- sierender rigider Eventualmaxime und ebenso rigiden Versäumnisfolgen, jedoch ohne griffige gerichtliche Prozessleitung.25 Demgegenüber wiesen die Entwürfe, die besonderen Verfahren der Einzelgesetze sowie die Zivilprozessnovelle von 1874 grundsätzlich in die entgegengesetzte Richtung, was pars pro toto26 anhand der 
Zivilpro- zessnovelle von 1874 belegt werden soll. Sie unterschied sich zwar inso- fern von den Einzelgesetzen, als sie unmittelbar die Allgemeine bzw. Westgalizische Gerichtsordnung, somit die grundlegenden Erlasse des Zivilverfahrens, änderte und nicht wie jene lediglich ergänzend beson- dere Verfahrensarten regelte; dennoch ändert dies nichts an ihrem Cha- rakter, der auch für die Einzelgesetze repräsentativ ist.27 Die Zivilpro- zessnovelle von 1874 bezweckte die Beschleunigung des Zivilprozesses sowie die tatsächliche Aufdeckung des Sachverhaltes, der ihm jeweils 81 
I. Historischer Hintergrund 24Vgl. Klein, Zivilprozeß, S.42f.Vgl. auch Oberhammer, Speeding up, S.221; Ober- hammer/Domej, Germany, S.118. 25Leonhard, S.126–128 m. w. H.; (eingehend) Malaniuk, S.181–184 m. w. H.; Sprung, Zielsetzungen, S.338 m. w. H.; Dahlmanns, S.2702f.m. w. H.; Schoibl, Entwick- lung, S.34–36 m. w. H.; ebenso schon Klein, Zivilprozeß, S.30–33 m. w. H. Den Verlauf des Verfahrens und dessen Stadien beschreibt Malaniuk, S.182. 26Eine ausführlichere Zusammenschau der Tendenzen bietet Sprung, Zielsetzungen, S.338. 27Schoibl, Entwicklung, S.43 m. w. H.
	        

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