auch den Folgen nach kann ein Prozeß in der Regel ein Uebel sein. Es können
materielle Folgen sein
(Verschwendung von Zeit und Geld)[,] aber auch
moralische (Prozeß- und Streitsucht, Rechthabe- rei, dann Haß, Erbitterung und Rachegedanken). Endlich kann in der Entscheidung des Prozesses ein Uebel liegen, wenn z[um] B[eispiel] das Gericht infolge Nachlässigkeit oder Ungeschicklich- keit einer Partei gezwungen ist, diese aus formellen Gründen u[nd] entgegen ihrem klaren Recht zu verurteilen (Versäumnis!). Das sind alles Erwägungen, die den
Versuch der Verhinderung eines Prozesses durch vorgängige gütliche Vermittlung sowohl im Inte- resse des Einzelnen als des Gemeinwesens rätlich erscheinen lassen müssen.»7 Die Einführung der Vermittlerämter bezweckte folglich eine Entlastung des liechtensteinischen Zivilprozesses von all jenen Fällen, die anstatt in einem gerichtlichen Verfahren bereits vorgängig in einem Vermittlungs- verfahren gelöst werden konnten. Solche Prozessökonomie mittels eines Vermittlungsverfahrens kam laut Beck dem liechtensteinischen Staat zugute, indem sie unnötige Zivilprozesse gar nicht erst ans Landgericht gelangen liess und damit gerichtlichen Aufwand und staatliche Kosten einsparte. Ausserdem profitierten auch die einzelnen Rechtsuchenden davon, nicht nur weil unter Umständen bereits ein Vermittlungsverfah- ren anstelle eines längeren, teureren und aufwendigeren Zivilprozesses sie zum beabsichtigten Ziel führte; vielmehr eignete sich die Vermittlung auch besser dafür, sich der psychologischen Seite einer Streitigkeit zuzu- wenden und, wie Beck es formulierte, «Streitsucht, Rechthaberei [...] [und] Erbitterung» auszuräumen, wozu ein Zivilprozess nicht in diesem Masse dienen konnte. Die Vermittlung konnte im Fürstentum Liechtenstein bereits damals auf eine gewisse Tradition zurückblicken,8 auf die man daher als genuin liechtensteinisch umso williger zurückzugreifen bereit war.9 Ver- 475
I. Vermittlerämtergesetz 1915 7LI LA DS 94/1915/2B, Kommissionsbericht, S.1, Hervorhebungen im Original vorliegend weggelassen, alle Hervorhebungen E. S. 8Siehe LI LA DS 94/1915/2B, Kommissionsbericht, S.3f.; Ospelt, Laienrichtertum, S.72f.; vgl. Delle-Karth, S.41. 9Vgl. L. Lz. vom 5. Juni 1865, S.58, betreffend das Schuldentriebgesetz.