Volltext: Prozessökonomie in der liechtensteinischen Zivilprozessordnung von 1912

neuen Zivilprozesses zugeschrieben, während andere spezifische Mecha- nismen der Prozessökonomie fehlschlugen.123 Der gerichtlichen Prozessleitung wurde dennoch auch 
Kritik zuteil. Namentlich wurde, so Klein, «der Einwand, daß sie [die Verteilung der Befugnisse zwischen Gericht und Parteien, E. S.] dem 
Gerichte als Repräsentanten des allgemeinen Wohles zuviel Macht einräume [...] viel öfter als irgendein anderer Einwand gegen die von der österreichischen Zivilprozeßordnung sanktionierten Ziele erhoben, darin konzen- triert sich eigentlich der ganze Widerstand gegen das ‹soziale Pro- zeßrecht›. Die Frage ist nicht allzuschwierig, sie darf nur nicht juristisch angefaßt werden, da dies unvermeidlich zu einer 
petit[i]o principii führt.»124 Ausformuliert lautet der Einwand, der einer petitio principii125 unter- liegt, demzufolge: (1) Das Gericht hat zuviel prozessleitende Macht. (2) Das Gericht ist Teil des Staatsapparates. (3) Das soziale Zivilprozess- recht soll der Bevölkerung dienen, nicht dem Staat, und daher auch der Bevölkerung bzw. den Parteien mehr prozessleitende Macht geben. Ergo: (wie Prämisse 1) Das Gericht hat zuviel prozessleitende Macht. Klein löste diesen logischen Denkfehler, indem er «nicht juristisch» argumentierte: (1) Das Gericht ist 
«Repräsentant des allgemeinen Woh- les».126 (2) Die Fürsorge um diese allgemeine Wohlfahrt definiert sich nicht dadurch, auf welcher Seite zwischen Staat (Gericht) und Bevölke- rung (Parteien) nach der Zivilprozessordnung theoretisch mehr prozess- leitende Macht liegt, sondern dadurch, dass Tätigwerden und -sein zugunsten des sozialen Zweckes erfolgt. (3) Im Zivilprozess vermag allein der Staat bzw. das Gericht (eben als stets vorhandener Repräsen- tant) ein über alle Verfahren hinweg konstantes, gleichmässiges und kon- sequentes Tätigsein in diesem Sinne zu gewährleisten, nicht die jeweils wechselnden und (zu Recht in erster Linie) private Interessen verfolgen- 435 
III. Prozessökonomische Leitgedanken 123Oberhammer/Domej, Delay, S.256 und S.258 m. w. H.; Oberhammer/Domej, Effi- ciency, S.68. 124Klein, Zivilprozeß, S.204, Hervorhebungen E. S. 125Zur petitio principii siehe statt vieler Rosenberg, S.94–101; Schneider/Schnapp, S.242–251. 126Vgl. Sprung, Zielsetzungen, S.340.
	        

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