Im Folgenden werden deshalb jene Entwicklungen in der Chrono- logie zwischen 1812 und 1905 punktuell herausgegriffen und kurz dar- gelegt, welche in gerichtsorganisatorischer oder zivilprozessrechtlicher Hinsicht für die spätere Justizreform, die daraus hervorgehende liech- tensteinische Zivilprozessordnung und die darin umgesetzte Prozess- ökonomie bedeutsam waren. Gemäss der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung nach der zivilprozessualen Prozessökonomie interessie- ren in erster Linie die Entwicklungen auf dem und im Zusammenhang mit dem liechtensteinischen Zivilprozessrecht. An manchen Stellen bie- ten sich aber auch die parallelen Entwicklungen des Strafprozessrechts dafür an, vergleichsweise herangezogen und betrachtet zu werden. Straf- prozessuale Entwicklungen werden daher ausnahmsweise berücksich- tigt, insofern sie für die zivilprozessuale Prozessökonomie aufschluss- reich oder massgeblich sind, das heisst, insofern sie prozessökonomische Tendenzen verdeutlichen, prozessökonomische Standards festlegen oder prozessökonomische Fortschritte vorwegnehmen. 1. 1812: Rezeption der Allgemeinen Gerichtsordnung Mit fürstlicher Verordnung vom 18. Februar 18125 wurden das österrei- chische Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das österreichische Strafge- setz sowie die
österreichische Allgemeine Gerichtsordnung (Ö-AGO) vom 1. Mai 1781 im Fürstentum Liechtenstein rezipiert.6 Die fürstliche Verordnung besagte: «[Wir] [...] haben beschlossen, das oesterreichische allgemeine bür- gerliche Gesezbuch nebst der österreichisch allgemeinen bürgerli- chen Gerichtsordnung und das oesterreichische Gesezbuch über Verbrechen und schwere Polizey-Uibertrettungen in dem souve- rainen Fürstenthum Liechtenstein einzuführen und befehlen hie- mit gnädigst, dass diese Gesezbücher vom Tage der Kundmachung gegenwärtiger Verordnung in Anwendung kommen sollen. [...] Auch behalten Wir Uns vor, jene
Modifikationen mit der Zeit zu 271
I. Entwicklungen 5Siehe Quellen- und Materialienverzeichnis I./1.; siehe auch Kundert, S.1828 m. N. 6Burmeister, Rechtswesen, S.742; siehe Goop, S.211.