Volltext: Prozessökonomie in der liechtensteinischen Zivilprozessordnung von 1912

tende Einwände bezüglich Richtigkeit und Vollständigkeit der erstmali- gen Beweisaufnahme im vorbereitenden Verfahren zu prüfen; oder das Gericht hielt eine Wiederholung der Einvernahme für erforderlich, um im Sinne der materiellen Wahrheit den tatsächlichen Sachverhalt als Grundlage der Entscheidung zu erforschen. Die 
Rechtsmittel der Berufung in zweiter Instanz und der Revision in dritter Instanz standen den Parteien als Korrektive zur Verfügung, falls der Zivilprozess Mängel hinsichtlich seiner Gründlichkeit aufwies. Die Berufung richtete sich gegen nicht vollständig erledigte Sachanträge, gegen Mängel und Verhinderungen der «erschöpfende[n] Erörterung und gründliche[n] Beurtheilung der Streitsache» sowie gegen gänzlich fehlende Erörterung von aktenmässig erheblich scheinenden Tatsachen im erstinstanzlichen Zivilprozess (§ 496 Abs. 1 Ziff. 1–3 Ö-CPO). Grund für eine Revision war unter anderem ebenso, dass ein Mangel im Berufungsverfahren die «erschöpfende Erörterung und gründliche Beur- theilung der Streitsache zu hindern geeignet war» oder das Urteil des Berufungsgerichts auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung beruhte (§ 503 Ziff. 2 und 4 Ö-CPO). Wenn es um die materielle Wahrheit, die Gründlichkeit oder die Vollständigkeit ging, erlaubte oder verpflichtete die österreichische Zivilprozessordnung von 1895 mitunter sogar zu Wiederholungen und Verdoppelungen (zum Beispiel § 344 Abs. 1 Ö-CPO), obwohl sie sie ansonsten zugunsten der Prozessökonomie überall zu vermeiden trach- tete oder untersagte. Wo immer möglich, sicherte sie dabei aber derartige Wiederholungen gegen allzu vergeuderisches Handeln und zumindest gegen eine nochmalige Wiederholung der Wiederholung entsprechender Handlungen (zum Beispiel § 344 Abs. 2 Ö-CPO). Die 
Gründlichkeit stellte folglich ein ständiges Gegengewicht zur Prozessökonomie dar, das überall zum Tragen kam, wo auch die Pro- zessökonomie es tat. Die Gründlichkeit wurde teils innerhalb einer pro- zessökonomischen Vorschrift berücksichtigt, teils als selbständige aus- gleichende Bestimmung daneben aufgestellt. In der Praxis erfuhren jedoch die Mechanismen der Gründlichkeit und namentlich der mate- riellen Wahrheit nicht alle diejenige Verwirklichung, auf die Klein mit ihnen abgezielt hatte.468215 
I. Gerichtshofverfahren 468Kralik, S.93 m. w. H.
	        

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