Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Recht aus nationaler und internationaler Perspektive

doktrin etwa in den 1980er-Jahren. Diese Wende oder dieser, wie der Staatsgerichtshof unter Anlehnung an Funk30etwas zurückhaltender formulierte, «Paradigmenwechsel»31war wesentlich vom Beitritt Liech- tensteins zur EMRK beeinflusst.32Freilich war auch diese Wende nicht vom Himmel gefallen, sondern hatte sich in der Grundrechtsdoktrin des Staatsgerichtshofes bereits angedeutet: In Zweifelsfällen, so der StGH bereits 1977, könnten die Grundrechte der Verfassung so gedeutet wer- den, «dass ihr Gehalt dem durch die EMRK geforderten Mindeststan- dard entspricht».33Dieser Einfluss wird nun in den folgenden Abschnit- ten näher dargestellt. 2.Der Einfluss der EMRK auf die Grundrechtsprechung des Staatsgerichtshofes 1994 diagnostizierte Höfling,34dass der Staatsgerichtshof in der Tendenz einem dynamischen Verfassungsverständnis gegenüber eher skeptisch eingestellt sei, dies aber nicht bedeute, dass er die Grundrechte vorwie- gend in einem Status quo-stabilisierenden Sinne interpretieren würde. Seit den 1980er-Jahren sei ein Perspektivenwandel festzustellen. Ähnlich 54Peter 
Bussjäger 30 Bernd-Christian Funk, Verfassungsrechtliche Adaptionen/Innovationen des Klein- staates. Das Beispiel Österreich, in: Arno Waschkuhn (Hrsg.), Kleinstaat. Grund- sätzliche und aktuelle Probleme, LPS Bd. 16, Vaduz 1993, S. 177. 31 Die Wendung «Paradigmenwechsel» in StGH 1997/1 = LES 1998, S. 201 (205), Erw. 4., war zwar in erster Linie auf Österreich gemünzt, doch schloss sich der Staatsge- richtshof wohl selbst mit ein, wenn er formulierte: «Gerade die Europäische Menschenrechtskonvention hat im übrigen auch (sic!) die österreichische Grund- rechtsprechung seit den 70er Jahren sukzessive zu einem eigentlichen ‹Paradigmen- wechsel›, von einem formellen zu einem materiellen, das Übermassverbot berück- sichtigenden Grundrechtsverständnis veranlasst, wie dies in der Schweiz und in der Bundesrepublik Deutschland zumindest im Grundsatz seit Jahrzehnten herr- schende Lehre und Rechtsprechung ist.» 32 Hoch, Schwerpunkte, S. 72; vgl. auch Andreas Kley, Geschichtliche Entwicklung der Grundrechte in Liechtenstein, in: Andreas Kley/Klaus A. Vallender (Hrsg.), Grundrechtspraxis in Liechtenstein, LPS Bd. 52, Schaan 2012, S. 25. 33 Siehe die Hinweise bei Höfling, Menschenrechtskonvention, S. 145 auf die unver- öffentlichten Entscheidungen StGH 1977/4 und 1978/12. 34 Wolfram Höfling, Die liechtensteinische Grundrechtsordnung, LPS Bd. 20, Vaduz 1994, S. 43.
	        

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