V.Allgemeine Auslegungsgrundsätze 1.«Methodenpluralismus»253und Güterabwägung Der Staatsgerichtshof bekennt sich in ständiger Rechtsprechung zum sogenannten Methodenpluralismus.254Die grammatikalische Auslegung hat zwar noch eine «relative Priorität». Dies trifft aber nur mehr inso- weit zu, als die Wortlautauslegung zwangsläufig den Ausgangspunkt der Auslegungstätigkeit darstellt. Davon abgesehen nimmt die Wortlautaus- legung gegenüber der Auslegung nach der systematischen Stellung der Norm – allenfalls ergänzt durch die rechtsvergleichende und verfas- sungskonforme Auslegung – keinen Vorrang ein. Es gibt heute aner- kanntermassen keine allgemeingültige Hierarchie der Auslegungsmetho- den mehr,255da allein schon die Entscheidung, ob der Wortlaut einer 173
Verfassungs- und Grundrechtsauslegung 253In der Schweizer Lehre stiess der vom Schweizer Bundesgericht seit 1984 verwen- dete Begriff des «Methodenpluralismus» auf viel Kritik. Siehe Biaggini, Verfas- sungsinterpretation, S. 117. Nach ihm ist der Begriff zwar tatsächlich unglücklich gewählt, das vom Bundesgericht praktizierte Vorgehen jedoch grundsätzlich sach- gerecht, sodass man es vielleicht besser als höchstrichterlichen «Methodenpragma- tismus» bezeichnen sollte (S. 117). Siehe allgemein zum Meinungsstreit um die rich- tige Auslegungsmethode und zum Rangverhältnis der klassischen Auslegungsme- thoden im Zusammenhang mit Verfassungs- und Grundrechtsbestimmungen Stern, Staatsrecht, S. 1655 ff. 254StGH 2006/24, Urteil vom 2. Oktober 2006, <www.gerichtsentscheide.li>, Erw. 3.1; vgl. auch StGH 2012/176, Urteil vom 4. Februar 2013, <www.gerichtsentsch ei de.li>, Erw. 5; StGH 2012/67, Urteil vom 30. Oktober 2012, nicht veröffentlicht, Erw. 7; StGH 2011/181, Urteil vom 26. März 2012, <www.gerichtsentscheide.li>, Erw. 2.2; StGH 2010/104, Urteil vom 30. November 2010, <www.gerichtsent sch eide.li>, Erw. 3.3.1; StGH 2005/78, Urteil vom 15. Mai 2007, <www.gerichtsent sch ei de.li>, Erw. 5; StGH 2000/45, Entscheidung vom 25. Oktober 2000, <www.g e richtsentscheide.li>, Erw. 5; StGH 1998/37, Urteil vom 22. Februar 1999, LES 2001, 69 (71, Erw. 2.4); StGH 1998/14, Urteil vom 4. September 1998, LES 1999, S. 226 (230 f., Erw. 3.2.2); StGH 1997/33, Urteil vom 2. April 1998, LES 1999, S. 20 (26 f., Erw. 5.3.3). 255StGH 2006/24, Urteil vom 2. Oktober 2006, <www.gerichtsentscheide.li>, Erw. 3.1; vgl. auch StGH 2012/176, Urteil vom 4. Februar 2013, <www.geric hts ent schei de.li>, Erw. 5; StGH 2012/67, Urteil vom 30. Oktober 2012, nicht veröffentlicht, Erw. 7; StGH 2011/181, Urteil vom 26. März 2012, <www.gerichtsentsche ide.li>, Erw. 2.2; StGH 2011/25, Urteil vom 26. September 2011, <www.gerichtse nt scheide.li>, Erw. 2.3.1; StGH 2010/158, Urteil vom 29. März 2011, nicht veröffent- licht, Erw. 2.3; StGH 2010/104, Urteil vom 30. November 2010, <www.gerichts ent scheide.li>, Erw. 3.3.1; StGH 2005/78, Urteil vom 15. Mai 2007, <www.gerichtsent