3.4 MITGLIEDSCHAFT IM DEUTSCHEN BUND UND
ANBINDUNG AN ÖSTERREICH
[m Zuge der Befreiungskriege gegen Napoleon erklärte Liechtenstein im
Dezember 1813 seinen Austritt aus dem Rheinbund. Das Fürstentum
konnte diesen Schritt wagen, weil es zuvor von Österreich eine Anerkennung
seiner Souveränität erhalten hatte.''* Nach dem Sieg über Napoleon wurde
auf dem Wiener Kongress 1814/15 die liechtensteinische Souveränität
bestätigt. Im Jahr 1815 etablierte sich der Deutsche Bund als Bündnis von
souveränen Staaten, mit Einschluss Liechtensteins.
Wie andere Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes gab sich Liech-
:enstein eine eigene Verfassung: Fürst Johann I. erliess im November 1818
die sogenannte landständische Verfassung für das Fürstentum.'” Diese
Verfassung ermöglichte die Konstituierung eines Landtags, des sogenannten
Ständelandtags, dem die Ortsrichter und Kassiere (Säckelmeister) der elf
Gemeinden sowie drei Priester angehörten. Die Kompetenzen dieses
Landtags beschränkten sich auf die jährliche Annahme des Steuerpostulats,
mit welchem die Obrigkeit jeweils die Höhe der Steuern für das kommende
Jahr festlegte. Dieser Landtag war jedoch kein Diskussionsforum; er durfte
einzig Vorschläge unterbreiten, die das «allgemeine Wohl» betrafen. !!
Daragraf 1 der Verfassung von 1818 betonte das enge Verhältnis
Liechtensteins zu Österreich: «So nehmen Wir nun gleichfalls die in den
x. k. österreichischen deutschen Staaten bestehende landständische Verfassung
in ihrer Wesenheit zum Muster für gedacht Unser Fürstenthum an.»''”
Bereits mit der Übernahme des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetz-
buchs (ABGB) von Österreich hatte Liechtenstein 1812 die enge Bindung
an sein östliches Nachbarland vertieft.!® Mit der Erklärung vom 16. Oktober
1819 übernahm Liechtenstein zudem automatisch auch spätere österrei-
chische Gesetze.!!? Dieser Zustand dauerte bis 1843 an. In der Zeitspanne
zwischen 1819 und 1843 erlahmte die eigenständige Gesetzgebung in
Liechtenstein weitgehend.'”®
Mit fürstlicher Verordnung vom 20. Januar 1843 wurde die auto-
matische Übernahme österreichischer Gesetze in Liechtenstein wieder
aufgehoben, zugunsten einer «autonomen Rezeption». Das bedeutete,
dass österreichische Rechtsvorschriften weiterhin übernommen, aber
von liechtensteinischer Seite selbstständig auf die eigenen Bedürfnisse
angepasst wurden.'?! Das Fürstentum gewann so gesetzgeberisch wieder
mehr Eigenständigkeit.'?? Davon zeugen das bereits 1842 erlassene
neue Gemeindegesetz sowie das Gesetz über den Erwerb der Staatsbürger-
schaft von 1843.123
14 Georg Schmidt: Fürst Johann I. 1987, S. 407
15 paul Vogt: Brücken zur Vergangenheit
1990, S. 128.
16 Ebd., $. 128-129.
17 Verfassung vom 9. November 1818,
unter: www.lIlv.li/amtsstellen/Ilv-la-his-
:;orische_rechtsquellen.htm, eingesehen
am 12. September 2011,
zlisabeth Berger: Das liechtensteinische
ABGB als Forschungsgegenstand, In:
„jechtenstein Politische Schriften, Bd. 50.
;chaan 2011, 5. 67-78, hier S. 68.
zlisabeth Berger: Rechtsrezeption und
zouveränität — ein Widerspruch? In:
ıBL, Bd. 105. Vaduz 2006, S. 33-50,
2ier $. 38. Im Jahr 1818 erfolgte die
Zuordnung Liechtensteins zum Appella-
jonsgericht in Innsbruck, Damit war eir
dreistufiger Instanzenweg in Zivil- und
Strafsachen eingerichtet worden: Als
arste Instanz fungierte das Landgericht
"zugleich Oberamt) in Vaduz, zweite
nstanz war die Hofkanzlei in Wien
„nd die dritte Instanz bildete nun das
Appellationsgericht in Innsbruck
Zine Ausnahme bildete hier das
Schulgesetz von 1827.
=lisabeth Berger: Das liechtensteinische
ABGB 2011, 5. 68.
Rupert Quaderer: Politische Geschichte
1969, S. 174-175.
Vgl. dazu ausführlich im nachfolgenden
"an. 4
IC