Zustimmung zur Niederlassung von Fremden, so konnte eine Nachbarschaft
solche auch nicht als Gemeindegenossen aufnehmen. Auch durfte eine
Nachbarschaft einem von der Landesherrschaft angenommenen Untertanen
die Niederlassung auf ihrem Gebiet nicht verweigern.
In der Dorfgenossenschaft war die Verknüpfung von Nutzungsrecht
und Armenrecht von wesentlicher Bedeutung. Das Armenrecht verpflichtete
eine Dorfgenossenschaft zur Unterstützung ihrer Mitglieder im Falle ihrer
Verarmung. Diese Verpflichtung setzte sich im 16. Jahrhundert im Heiligen
Römischen Reich allgemein durch.** Die Pflicht zur Unterstützung verarmter
Dorfgenossen wurde 1809 von den Genossenschaften auf die neu geschaf-
fenen politischen Gemeinden übertragen. Diese Verpflichtung der Gemeinden
bestand in Liechtenstein bis ins Jahr 1967. Gemäss dem 1965 beschlossenen
neuen Sozialhilfegesetz, das 1967 in Kraft trat, war nun nicht mehr die
Bürgergemeinde, sondern die Einwohnergemeinde verpflichtet, ihre Armen
und Bedürftigen zu unterstützen. Damit wurde dem Umstand Rechnung
getragen, dass immer mehr Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner nicht
mehr in ihrer Bürgergemeinde wohnten. Das Gesetz von 1965 gewährte
neu allen Staatsbürgerinnen und -bürgern, die den Lebensunterhalt nicht
selbst bestreiten konnten, einen Rechtsanspruch auf Unterstützung durch
die öffentliche Hand. Die Kosten wurden neu je zur Hälfte vom Land und
von den Gemeinden getragen.”
Bis zum Zeitpunkt der von der Obrigkeit diktierten Reformen von
Staat und Gemeinden in Liechtenstein (1808 bis 1812) hatten sich die heutigen
Gemeindegrenzen gebildet.? Die Festlegung dieser Gemeindegrenzen war
der Schlusspunkt von lange andauernden Teilungsprozessen. Die Gebiete
Vaduz und Schellenberg, wohl bereits Verwaltungseinheiten im römischen
Bezirk Churrätien, bildeten im Frühmittelalter insgesamt drei Mark:
genossenschaften. Das waren von mehreren Nachbarschaften gebildete
Zusammenschlüsse, die gemeinsamen Grundbesitz verwalteten und nutzten.
Eine gemeinsame Markgenossenschaft bildeten etwa die Nachbarschaften
von Schaan, Vaduz und Planken. Zunehmende Streitigkeiten, durch das
Bevölkerungswachstum im späten 18. Jahrhundert noch verstärkt, führten
schliesslich zur Aufteilung der gemeinsamen Mark zwischen den drei
Ortschaften und zur Bildung der heutigen Gemeindegrenzen. Dieser
Teilungsvorgang erfolgte in den Jahren von 1787 bis 1811.” Eine solche
Aufteilung von bisher gemeinsam genutztem Boden geschah in dieser Zeit
auch zwischen anderen liechtensteinischen Gemeinden.
Der oben mehrmals verwendete Begriff «Gemeinde» bezieht sich aus-
schliesslich auf die jeweilige Nachbarschaft, aus welcher im Jahr 1809 die
heutigen politischen Gemeinden entstanden.
4
Zum Armenwesen siehe insbesondere
die Ausführungen in Kap. 7.1.
LGBl. 1966/Nr. 3: Sozialhilfegesetz vom
10. Dezember 1965 (www.gesetze.li,
eingesehen am 30. August 2011). Das
Sozialhilfegesetz gestattete auch die
Unterstützung von bedürftigen Auslände-
rinnen und Ausländern in Liechtenstein,
sofern dies in Staatsverträgen festgelegt
wurde oder deren Heimatstaaten
jiechtensteinische Staatsbürger wie eigene
Staatsbürger betrachteten. Auch bei
Feststellung eines allgemeinen Interesses
5der eines Interesses des bedürftigen
Ausländers konnten Fürsorgeleistungen
Jewährt werden.
Bernd Marquardt: Gemeinde. In: HLFL.
Vaduz, Zürich 2012.
Alois Ospelt: 200 Jahre Gemeindegrenzen
Schaan/Vaduz/Planken. In: JBL, Bd. 98.
Vaduz 1999, S. 1-40. Eine spätere Grenz-
Korrektur zwischen Schaan und Vaduz, so
auch im Bereich der Siedlung Mühleholz,
folate 1952.
5