Norbert Haas: Ich kenne das Wort, aber nicht seine genaue Bedeutung. Für
mich steckt in diesem Wort — wie im Wort «Besitz» — der Begriff «Sitzen».
Folglich gehört das Wort «Hintersasse» zum Bereich der «Ansässigkeit» und
zrenzt sich so vom Bereich der Fahrenden und Nichrt-Sesshaften ab.
Vreni Haas: Norberts Vater hat immer erzählt, dass ein Vorfahre sich zur
Verfügung gestellt hatte, um im liechtensteinischen Militär Dienst zu
eisten. Er hat damit wohl einem reicheren Liechtensteiner, der sich so von
seiner Dienstpflicht freikaufen konnte, den Militärdienst erspart.
Klaus Biedermann: Ja, es gab mehrere solche Fälle, dass sich ärmere und
zum Teil mittellose Männer in Liechtenstein als Soldaten zur Verfügung
stellten. Sie erhielten so eine Bezahlung und zum Teil auch das Versprechen
auf ein Heimatrecht in Liechtenstein. Das bedeutete ein Stück weit eine
gesellschaftliche Anerkennung, die den Familien der Militärdienstleistenden
zugute kam. Und unter mangelnder Anerkennung durch die sesshafte
Bevölkerungsmehrheit hatten ja viele Nicht-Sesshafte gelitten.
Vreni Haas: In der Todesanzeige von Norberts Grossvater [Christian Haas,
1879-1955] steht zum Beispiel geschrieben, er sei Uhrmacher gewesen, was
so nicht ganz stimmt.
Norbert Haas: Mein Grossvater, der im Vaduzer «Hasenviertel» aufgewachsen
war, konnte Uhren flicken. Darauf war er sehr stolz. Mit dieser Tätigkeit
st er auch auf die Walz gegangen. Das war auf jeden Fall eine angesehenere
Arbeit. Und so kam es auch, dass in die Todesanzeige der Begriff
«Uhrmacher» geschrieben wurde. Das ist schon seltsam, dass man 1955
aıoch ein bisschen schwindelte, um die Familie im allgemeinen Ansehen
aufzuwerten. Mit seinem Geschick zum Uhrenflicken meisterte mein
Grossvater sein Leben. Das hat ihn nobilitiert. Auch mein Vater konnte Uhren
reparieren. Es ist eine Tätigkeit, die sehr viel Ruhe und eine geschickte Hand
srfordert. Auf der einen Seite stand der schlechte Leumund der Familie, auf
der anderen Seite der Wunsch, das zu kompensieren, so durch ein besonderes
Geschick oder ein herausragendes Talent. Ich glaube, ich hätte mich in der
Schule nicht so angestrengt, wenn ich kein Haas gewesen wäre.
Vreni Haas: Zwei oder drei Brüder von Christian Haas sind dann nach
Amerika gegangen. Das ist auch ein Indiz dafür, wie schwer es die Familie
hatte, ein Auskommen zu finden.
Klaus Biedermann: Ich komme nochmals auf die Frage der Ehe- und
Konkubinatspartnerinnen und -partner zurück. Mir ist aufgefallen, dass
Angehörige der Familie Haas bis in die 1960er Jahre kaum in alteingesessene