fen konnten, blieb ihnen keine andere Wahl. Nachkommen von Anna
Maria Kirschbaumer fanden Arbeit in der Feldkircher Industrie: Ihre
<inder Nikodemus und Rosina Kirschbaumer sind 1868 als Beschäftige
bei der Baumwollspinnerei Ganahl & Söhne in Tisis bei Feldkirch vermerkt.
Sie arbeiteten als «Ausstosser» respektive als «Laminoire». Die Enkelkinder
Anton (15-jährig) und Andreas (12-jährig) tauchten 1868 auf derselben
Arbeiterliste als Ansetzer auf.!®®
Die Arbeitsbedingungen in diesen Fabriken waren hart. So macht
3n Bericht des Bezirksamts Feldkirch vom 24. Januar 1864 eine «brutale
Kinderausbeutung in den Fabriken» deutlich: «Kinder in unmündigem
Alter werden hierzulande meist nur in den Baumwollspinnfabriken
beschäftigt [...] indem der Arbeitslohn für Kinder viel kleiner ist als der
Lohn der Erwachsenen [...]. Die Arbeitszeit in den hiesigen Fabriken
beginnt um sechs Uhr früh und endet um acht Uhr abends. Im Sommer
beginnt und endet sie eine halbe Stunde früher und beträgt somit durch das
panze Jahr über Abzug der Mittagsstunde — von 12 bis 1 Uhr — 13 Stunden,
Eine kürzere Arbeitszeit, bloss für Kinder, besteht nicht [...]. Die körperliche
und geistige Rückwirkung dieser langen Arbeitszeit auf die Kinder ist
allerdings erschreckend, und um so bedauerlicher, als die Hälfte der
Arbeiter in den Spinnfabriken aus Kindern unter 16 und zumeist unter
14 Jahren besteht.»!? Sieglinde Amann ergänzt dazu: «Die Folge war, dass
erstens die Kinder durch die Fabrikarbeit in ihrer Gesundheit so geschädigt
waren, dass sie als Erwachsene früh krank oder arbeitsunfähig wurden
and somit der Armenfürsorge eher zur Last fielen als Kinder, die [...]
sine weniger schädliche Arbeit, zum Beispiel in der Landwirtschaft
ausübten [...]. Weiters wurde der Schulbesuch total vernachlässigt.
Ohne entsprechende Schulbildung [...] hatten die Kinder auch nicht die
Vöglichkeit eines sozialen Aufstiegs.»'®
'n einem grösseren europäischen Kontext betrachtet, stellt Wolfram
Fischer fest, dass Frauen- und Kinderarbeit «nicht die Ausnahme, sondern die
Regel [war]. Das Leitbild einer bürgerlichen Familie mit dem Familienvater
als alleinigem Ernährer ist das Leitbild einer oberen Mittelschicht, das
für die Mehrheit der Bevölkerung nicht galt.» Nur sehr wenige privilegierte
Familien hätten es sich noch im 19. Jahrhundert leisten können, ihre Frauen
aicht arbeiten zu lassen.!8
8 Rupert Tiefenthaler: Liechtensteiner
Arbeiter 1994, S. 253-254.
#7 zitiert bei Sieglinde Amann:
Armenfürsorge 1996, 5. 59.
®% £bd., S. 60-61.
3 Wolfram Fischer: Armut 1982, 5. 70.