Volltext: "Aus Überzeugung, dass er der Gemeinde von grossem Nutzen seyn werde"

zum ausgearbeiteten Verfassungsentwurf kam schliesslich von der Hof- 
kanzlei, welche die ihrer Ansicht nach zu weit gehenden Volksrechte 
missbilligte und auch den «bekannten Egoismus des Kastengeistes in den 
Gemeinden» tadelte.* Entscheidend für die Annahme des Verfassungsent- 
wurfs war aber der Wille des Monarchen. Der Fürst akzeptierte grundsätzlich 
das von der Hofkanzlei geschmähte «Vaduzer Operat» mit seinen 
«ultrademokratischen Ideen». Der so abgesegnete Verfassungsentwurf 
führte schliesslich zum Erlass von Übergangsbestimmungen für Liechtenstein 
am 7. März 1849. Es dauerte jedoch noch mehr als ein Jahrzehnt, bis Fürst 
Johann II. am 26. September 1862 die erste Verfassung für Liechtenstein 
erliess, die das Fürstentum zu einer konstitutionellen Monarchie machte. 
Das Vetorecht der Fürsten blieb indes bestehen. 
Plan einer Trennung von Orts- und Bürgergemeinde 1849 
Wie wenig akzeptiert das Freizügigkeitsgesetz von 1810 in der liechten- 
steinischen Bevölkerung geblieben war, zeigt ein anonymes Schreiben eines 
Liechtensteiners von 1849. Er publizierte dieses am 28. August 1849 in 
der liberalen «Vorarlberger Zeitung». Diese Zeitung erschien damals in 
Feldkirch, jedoch nur ein Jahr lang, von den österreichischen Behörden 
veargwöhnt, doch auch in Liechtenstein gelesen. Der besagte liechtenstei- 
nische Autor kritisierte insbesondere die starke Abwehrhaltung gegenüber 
Fremden in den Gemeinden seines Landes: «Bis anhin war es Übung und 
Sitte, dass Bürger, wenn sie in eine andere Gemeinde des Ländchens über- 
siedelten, dort wie Fremdlinge, wie überseeische Bewohner betrachtet und 
behandelt wurden. Die Gemeindebürger diktierten diesen angesiedelten 
Mitbürgern nach Wohlgefallen Lasten; von einer ebenbürtigen Nutzniessung 
war dagegen keine Rede; selbst die Aufnahme ins Bürgerrecht war ein Akt 
der Willkür — und das in einem Ländchen von 10’000 Einwohnern!»*“ 
Aufgrund der besagten Übergangsbestimmungen wählte die liech- 
tensteinische Bevölkerung am 20. Mai 1849 einen 24-köpfigen Landrat, 
der als Vorläufer des späteren Landtags die erste gesetzgebende Volks- 
vertretung des Fürstentums darstellte. Zur Landsgemeinde in Vaduz, die 
diese Wahl vornahm, waren zwischen 1’500 und 1’800 Wähler erschienen.” 
In den Landrat gewählt wurden Peter Kaiser sowie die Ärzte Johann Ludwig 
Grass und Karl Schädler, aber auch mehrere Gemeinderichter.?® Der 
neu gewählte Landrat übernahm auch die Aufgabe, eine neue Gemeinde- 
ordnung für Liechtenstein auszuarbeiten. Im bereits zitierten Schreiben 
aus der «Vorarlberger Zeitung» gab der anonyme Liechtensteiner Verfasser 
dem Landrat hierzu einen Rat: «Verliere der Landrat nie aus dem Auge, 
dass seine Mitglieder nicht Stellvertreter der einzelnen Gemeinden, 
sondern Stellvertreter des Gesamtländchens sind und also im Interesse 
des letztern Beschlüsse zu fassen haben.» 
 Zitiert nach Peter Geiger: Geschichte 
1970, S. 116-120 und besonders S. 118 
Zitiert nach Peter Geiger: Die liechten- 
steinische Volksvertretung in der Zeit 
von 1848 bis 1918. In: Liechtenstein 
Politische Schriften, Bd. 8. Vaduz 1981, 
5. 29-58, hier $. 37. 
Arthur Brunhart: Peter Kaiser 1998, S. 138. 
Zitiert nach Rupert Tiefenthaler: 
Alarmierende Gerüchte. Liechtenstein 
.ınd die Revolution 1848 aus der Sicht 
Vorarlbergs. In: Arthur Brunhart (Hg.): 
Revolution 2000, S. 51—60, hier S. 57-58 
Peter Geiger: Die liechtensteinische 
Volksvertretung 1981, S. 38. 
Vgl. die vollständige Liste der Landratsmit- 
glieder in Peter Geiger: Geschichte 1970, 
5. 160-161, Anmerkung 14. Peter Kaiser, 
damals Lehrer in Graubünden, nahm dieses 
Mandat aus zeitlichen und beruflichen 
Gründen allerdings nicht wahr. 
Rupert Tiefenthaler: Alarmierende 
Gerüchte 2000, S. 58. 
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