Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

fung einer besonderen Verfassungsgrundlage werde durch die Schweizer Rechtsliteratur bestätigt. Die Regierung stützte sich hier auf Arnold Marti, der ausführte, die Allgemeinverbindlicherklärung privatrechtli- cher Vereinbarungen sei «nach herrschender Auffassung nur gestützt auf eine ausdrückliche Verfassungsgrundlage zulässig».51Nach dieser Mei- nung sei die Grundlage in der Landesverfassung erforderlich wegen des mit der Allgemeinverbindlicherklärung verbundenen Eingriffs in die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsgarantie. Der Antrag der Regie- rung fand schliesslich das für Verfassungsänderungen nötige Quorum nicht.52 Die Allgemeinverbindlicherklärung lässt sich, was ihre Rechtsna- tur betrifft, nicht ohne weiteres einer üblichen Rechtsetzungsform zu- ordnen. Es handelt sich um einen Rechtsetzungsakt eigener Art.53 Auf Gesetzesstufe sind die Anliegen der Regierung – Berücksichti- gung der begründeten Interessen von Nichtbeteiligten, Nichtbeeinträch- tigung der Rechtsgleichheit und der Vereinsfreiheit – auch im Fürsten- tum Liechtenstein verankert. Der liechtensteinische Gesetzgeber hat entsprechende Leitlinien in Art. 2 AVEG vorgesehen. Dort ist eine 765 
Koalitionsfreiheit 51Marti, Aufgabenteilung, S. 1159. 52In der ersten Lesung des Verfassungsgesetzes vom 14. Dezember 2006 stimmte der Landtag dem Antrag mit 21 von 25 Abgeordneten zu (Landtagsprotokoll vom 14. Dezember 2006, S. 2359). In der für den Fall der Nichteinstimmigkeit gemäss Art. 112 Abs. 2 LV notwendig gewordenen zweiten Lesung des Verfassungsgesetzes vom 14. März 2007 stimmten in namentlicher Abstimmung 16 von 25 Abgeordne- ten zu und 9 dagegen, was für die Verfassungsergänzung nicht ausreichte (Land- tagsprotokoll vom 14. März 2007, S. 142 ff.). Der Abstimmung war eine ausführ - liche Debatte im Landtag vorausgegangen. Von den Gegnern wurde vor allem die Notwendigkeit der Verfassungsergänzung bezweifelt. Weiter kritisiert wurde, dass der vorgeschlagene Verfassungstext als Form der Allgemeinverbindlicherklärung di- rekt die Regierungsverordnung vorsah. 53Giovanni Biaggini geht davon aus, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt, «dessen Rechtswirkungen im Ergebnis einem Rechtssetzungsakt nahe kommen (BGE 98 II 205, 208), ohne dass man deswegen von einer Verordnung sprechen kann» (Biaggini Giovanni, Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 2007, Art. 110 Rz. 10). Nach Meinung des Bundesver- fassungsgerichts handelt es sich bei der Allgemeinverbindlicherklärung um Norm- setzung. Dabei besteht eine Normsetzungsprärogative der Koalitionen. Diese ist freilich nicht schrankenlos. «Um die genannten Ziele der Allgemeinverbindlicher- klärung zu erreichen, hat der Gesetzgeber einen Weg gewählt, der sich weder mit dem Institut der Rechtsverordnung [. . .] noch mit der Rechtsfigur der blossen un- selbständigen Zustimmungserklärung des Staates zu autonomer Normsetzung der14 15
	        

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